# taz.de -- Weltsozialforum in Dakar: Die Frauen, der Fisch und die Fabrik | |
> In einer Kooperative versuchen Frauen im Senegal, sich gegen den | |
> industriellen Fischfang zu behaupten. Sie exportieren sogar in andere | |
> westafrikanische Länder. | |
Bild: Sie wollen ihre lokale Wirtschaft retten: Frauen in Dakar protestieren im… | |
DAKAR taz | Frauen im Senegal haben der Europäischen Union die Stirn | |
geboten und die erste Runde mit anderen zusammen gewonnen. Sie sind | |
Fisch-Verarbeiterinnen und protestierten 2009 erfolgreich gegen die | |
Unterzeichnung eines neuen EU-Abkommens mit Senegal über die Fischerei. | |
Abdoulaye Wade, der Präsident des westafrikanischen Landes, machte einen | |
Rückzieher. Bis heute gibt es kein neues Abkommen. | |
Um ihren Ärger damals zu zeigen, sagt Diaba Diop, "trugen wir schwarze | |
Stirnbänder". Die 38-Jährige arbeitet in der Frauenkooperative Pencum | |
Senegal, die etwa 200 Selbstständige einschließt. Sie verdient allein das | |
Geld für ihre Familie, ihr Mann ist arbeitslos, und sie haben zwei Kinder. | |
In Thiaroye sur Mer, um die zehn Kilometer von Dakar entfernt, verarbeiten | |
die Frauen den Fisch und die Meeresfrüchte, damit sie sich länger halten. | |
Die Kooperative liegt direkt am Meer, Fischerpirogen liegen am Strand. | |
"Einige Fischer kommen hierher, um ihren Fischfang des Tages an uns zu | |
verkaufen, aber eigentlich kaufen wir bei Zwischenhändlern, die mit | |
Kühllastwagen zu uns kommen." | |
90 Männer zerhacken unter einer Überdachung Fisch. Sie sind hier fest | |
angestellt. Auf breiten Holztischen trocknet der Fang unter der Sonne: | |
Meeräschen, Seeteufel, Sardinen und sogar kleine Haifischarten. Dazwischen | |
streunen ausgehungerte Katzen und Ziegen, wie überall im Senegal. | |
Die Konservierung des Fischs erlaubt den Weiterverkauf nicht nur auf den | |
Märkten Dakars, sondern auch ins Landesinnere. Denn gesicherte Kühlketten | |
gibt es nicht. Die Kooperative exportiert sogar mit einem Container in | |
andere westafrikanische Länder. Für Mali bereiten sie beispielsweise | |
spezielle Fischstücke vor, die man dort gerne isst. | |
"Wenn wir hier den Fisch nicht verarbeiten würden, hätten die Leute, die | |
weit von der Küste leben, keinen Seefisch zu essen", betont Diaba Diop, die | |
auch Sekretärin der Genossenschaft ist. Genau das droht nun. Denn für die | |
Frauen wird es immer schwerer, überhaupt Fisch zu bekommen. Die Bestände in | |
den Gewässern Senegals gehen allmählich zurück, und gegen die Konkurrenz | |
der großen Fabriken können sie nicht bestehen. "Sie kaufen große Menge an, | |
bieten bessere Preise, das können wir nicht anbieten", erzählt Frau Diop | |
weiter. | |
"Früher kostete eine Fischart zum Beispiel 2.000 bis 3.000 Westafrikanische | |
Franc (CFA) die Kiste (um die 70 kg), heute sind es 21.000." Das entspricht | |
rund 30 Euro. Sie schüttelt den Kopf und sagt: "Also kommen wir erst dann | |
an die Reihe, nachdem die großen Fabriken schon eingekauft haben." Sie | |
bekommen oft nur noch die Reste der Fabriken. Es werde immer schwieriger, | |
beklagen sich die Frauen. | |
Die Fabriken besitzen eine gute Infrastruktur. "Wir transportieren den | |
Fisch mit Hand- oder Viehkarre nach Dakar, ganz hygienisch ist das nicht", | |
bedauert Frau Diop. Ndèye Katy Niang, 39 Jahre, erzählt, dass sie bei einem | |
guten Tag mit 10.000 CFA - rund 15 Euo - nach Hause kommt, ihren Arbeitern | |
bezahlt sie 1.000 CFA, also 1,50 Euro. "Aber es gibt auch Tage, wo du null | |
Einnahmen hast", klagt die Frau. | |
In den 1960er Jahren schlossen sie sich zusammen. Damals war Thiaroye sur | |
Mer ein Dorf und nicht eine Peripherie von Dakar wie jetzt. Wenn die Männer | |
vom Meer zurückkamen, brachten sie direkt den Fisch den Frauen. Die | |
"Griots", die Nachrichten verkünden, zogen mit den Trommeln durch die | |
Dörfer, gaben Kunde, dass der Fang eingetroffen war. | |
Erst in den 2000er Jahren fingen die Menschen an, sich in der | |
Fischproduktionskette zu organisieren. Sie sind nun in einem Dachverband | |
(Conipas) zusammengeschlossen, dem die Organisation der fischverarbeitenden | |
Frauen angehört. Und 2009 war es das erste Mal, dass sie sich in die | |
Verhandlungen über das EU-Fischerei-Abkommen einmischen konnten. | |
Die Frauenkooperative beruht auf einfachen Regeln, die darauf abzielen, | |
jedem eine Chance zur Arbeit zu geben. Der Verkaufspreis wird gemeinsam | |
festgelegt. Wenn ein Zwischenhändler auf Initiative einer Arbeiterin kommt, | |
darf diese nur ein festgelegter Anteil der Ware aufkaufen, der Rest steht | |
für die andere Frauen zum Kauf frei. | |
Man passt also auf, dass jeder kaufen und verkaufen kann. Die | |
Exporteinnahmen gehen an die Kooperative, die Steuern zahlt und in eine | |
Solidaritätskasse einbezahlt. Die springt etwa bei Krankheiten ein. Die | |
Kooperative kann heute aber nur begrenzt Geld für Investitionen ansparen. | |
Der zurzeit anstehende Kauf von neuen Plastikwannen übersteigt ihre | |
Finanzkraft. Es geht um 125.000 CFA , als etwa 190 Euro. | |
9 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Odile Jolys | |
## TAGS | |
Lissabon | |
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