# taz.de -- Räumung der Liebig 14: "Wir haben ein starkes Signal gesetzt" | |
> Das Ende der Liebig 14 mache ihn nicht traurig, sagt einer der neun | |
> Bewohner, die sich bei der Räumung im Haus verschanzten. Die alternative | |
> Szene sei nun gestärkt. | |
Bild: Barrikaden sollten den Zutritt zum Hausprojekt erschweren. | |
taz: Tom, Sie haben zwei Jahre in der Liebig 14 gewohnt, vor einer Woche | |
wurde das Hausprojekt geräumt. Was denken Sie, wenn Sie das Haus heute | |
sehen? | |
Tom: Auf der einen Seite bin ich traurig. Auf der anderen freue ich mich, | |
dass wir so ein starkes Signal gesetzt haben. Die Liebig 14 war nur ein | |
kleines Haus, das vor der Räumung gerade außerhalb Berlins nicht viele | |
kannten. Die Aufmerksamkeit für unser Projekt jetzt und die Proteste aber | |
waren so viel größer: Wir konnten zeigen, was alternatives Wohnen bedeutet | |
und wie wichtig und gefährdet diese Freiräume heute sind. | |
Im Resultat aber haben Sie verloren: Das Haus ist leer und von | |
Sicherheitsleuten abgeriegelt. | |
Das Haus war schon vor der Räumung verloren. Alles, was wir probiert hatten | |
- Prozesse, runder Tisch, Kauf des Hauses durch eine Stiftung -, war | |
gescheitert. Uns blieb nur noch, ein Symbol zu setzen und das Haus nicht | |
widerstandslos zu übergeben, sondern so lange wie möglich zu verteidigen. | |
Und das ist ja gelungen. | |
Die Polizei brauchte fünf Stunden, um das Haus zu räumen, weil es massiv | |
verbarrikadiert war. Ist das noch Protest oder nur Sachbeschädigung? | |
Ich denke, jeder hat das Recht, sich nicht einfach aus seinem Zuhause | |
schmeißen zu lassen. Und hier ging es ja nicht nur um das Haus, sondern um | |
eine Idee, die wir verteidigt haben. | |
Wäre das nicht auch anders gegangen? | |
Unsere Prämisse war: Wir wollen niemanden angreifen oder verletzen, keine | |
Waschmaschinen aus dem Fenster schmeißen oder so. Also haben wir uns | |
entschieden, das Haus zu sichern. Die letzten zwei Tage vor der Räumung | |
waren wir damit nonstop beschäftigt. Es gab ja allein 40 Fenster! Immer | |
wieder kamen Unterstützer, bestimmt 50, 60 Leute, die uns geholfen haben. | |
Das war intensiv. Als wir auf den Balkonen geschweißt haben, haben Nachbarn | |
applaudiert. | |
Sie hatten Fenster vergittert, Türen zugemauert, das Treppenhaus blockiert | |
… | |
Wir wollten es der Polizei nicht zu leicht machen. Es bestand für sie aber | |
nie Gefahr. Auch die Badewannen auf dem Dachboden waren nur mit bunt | |
gefärbtem Wasser gefüllt. Die Polizisten sind nicht unsere Feinde, auch | |
wenn sie das falsche System verteidigen. | |
Sie waren einer der neun Bewohner, die sich im Haus verschanzt hatten. Wie | |
haben Sie die Räumung erlebt? | |
Für mich war es keine Frage, dass ich bis zum Schluss bleibe. Wir hatten | |
uns in einer Wohnung im dritten Stock verbarrikadiert, uns mit | |
Lebensmitteln, Wasser und einem Generator versorgt. Wir haben versucht, es | |
uns gemütlich zu machen, haben gefrühstückt und mit Freunden telefoniert. | |
Von draußen konnten wir das Hämmern der Polizei hören. Aber auch das | |
Topfgeklapper der Nachbarn. Da weißt du, dass du das Richtige tust. | |
Wie war das, als die Polizei durch die Mauer in die Wohnung brach? | |
Wir haben applaudiert. Und nach dem Räumungsbescheid gefragt. | |
Kein Widerstand? | |
Nein. Wir haben vorher auf dem Balkon mit einem Feuerlöscher ein letztes | |
Abschiedszeichen gesetzt. Das wars. | |
Sie und die anderen acht wurden noch im Haus festgenommen, Ihnen drohen | |
Anklagen wegen Hausfriedensbruchs, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte | |
und Körperverletzung. | |
Das macht mir wenig Sorgen. Ich habe kein Problem, mit meinem Namen für das | |
Projekt einzustehen. Und wir waren ja friedlich. | |
Wo wohnen Sie jetzt? | |
Ich bin Gast in einem Hausprojekt gleich um die Ecke. Es gab viele | |
Hilfsangebote, keiner von uns ist obdachlos. | |
Gibt es eine gemeinsame Zukunft für das Projekt Liebig 14? | |
Wir wollen wieder zusammenwohnen, einen Ort finden, der eine ähnliche | |
Atmosphäre hat. Durch die Räumung lebt die Liebig 14 weiter, sie ist zum | |
Symbol geworden. Das macht mich gerade mehr glücklich als traurig. | |
9 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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