# taz.de -- Kolumne Was bisher geschah: Der leere Platz | |
> Es ist 10.40 Uhr am Donnerstagvormittag als die Internationale Jury zur | |
> Auftaktpressekonferenz zusammen kommt. Ein Platz bleibt leer, der des | |
> iranischen Filmemachers Jafar Panahi. | |
Hingen diese lächerlichen Uhren eigentlich vergangenes Jahr auch schon da? | |
Ich kann mich nicht erinnern. Sieht nach Konkursmasse einer Investmentbank | |
oder Consultingfirma aus, die mit derlei Blendwerk Weltläufigkeit | |
behaupten. Aber mal ehrlich: Wen interessiert während der Berlinale schon | |
die aktuelle Uhrzeit in Buenos Aires, Beijing oder Los Angeles?! Die | |
nächsten zehn Tage haben alle Menschen in diesem Raum nur Augen und Ohren | |
für dieses Filmfestival in Berlin, wo es übrigens gerade 10.40 Uhr am | |
Donnerstagvormittag ist, als die Internationale Jury den Konferenzraum im | |
Grand Hyatt am Potsdamer Platz zur Auftaktpressekonferenz betritt. | |
Ein Platz bleibt leer, in der Mitte des Podiums, zwischen Nina Hoss und der | |
Jurypräsidentin Isabella Rossellini, der des iranischen Filmemachers Jafar | |
Panahi, der in seinem Heimatland kurz vor Weihnachten zu sechs Jahren Haft | |
und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt worden ist und deswegen der Berufung | |
in die Internationale Jury nicht nachkommen konnte. "Wir haben die große | |
Hoffnung, dass er während der Berlinale noch zu uns stoßen wird", sagt das | |
Bruce-Willis-Double Anatol Weber mit aufgesetztem Optimismus. Für die | |
Moderation seiner ersten Pressekonferenz in diesem Jahr hat Weber sich ein | |
weißes Hemd mit breitem John-Travolta-Gedächtniskragen rausgelegt. | |
Überhaupt hat sich das Berlinale-Team ordentlich aufgerüscht, auch die | |
jungen Frauen, die den Journalisten die Mikrofone für ihre zumeist | |
nichtsnutzigen Fragen anreichen, wirken neu eingekleidet. Bezahlen die das | |
eigentlich selber, gibts einen Zuschuss oder sind die Klamotten gar | |
gesponsert? Nur der Stage Manager oder wie man das neudeutsch nennt, also | |
der Mann, der die Bühne für die Show bereitet, trägt dasselbe blaue | |
Schlabbersakko wie im vergangenen Jahr. Auch seinen melancholischen Blick | |
erkennt man sofort wieder. | |
So ein Festival ist ja sowieso ein einziges Déjà-vu. Eine kurze | |
Schwarzblende und schon geht es weiter, als wäre die letzte Berlinale nie | |
zu Ende gegangen. Die Wege, die Gesichter, der Radio-Eins-Berlinale-Bus - | |
alles wie gehabt. Wer Veränderungen hasst, kann die Berlinale nur lieben. | |
Für diese Kontinuität steht auch der Berlinale-Trailer vor den Filmen, der | |
auch in diesem Jahr nicht verändert wurde. Ich mag ihn sehr, wie die Sterne | |
darin vom Himmel fallen und dabei kurz und flüchtig - wie zehn Tage | |
Berlinale nun mal sind - den Maskottchenbären formen, bevor sie in | |
unvorstellbarer Ferne verglühen. Hach. | |
10 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
David Denk | |
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