# taz.de -- Revolutionen in Arabien: Und al-Dschasira sendet... | |
> Kaum ein Sender berichtete so umfassend und ausdauernd über die Revolte | |
> in Ägypten wie "al-Dschasira". Sein Rezept: die Symbiose zwischen | |
> Publikum und Sender. | |
Bild: 24 Stunden Revolution: Kein anderes Medium hat so umfassend aus Ägypten … | |
BERLIN taz | Wer in der Hochphase der ägyptischen Revolte auf der Suche | |
nach tiefschürfenderen Informationen als der üblichen | |
Tahrir-Platz-Einstellung war, wurde vor allem im deutschen Fernsehen oft | |
enttäuscht: Die Nachrichtensender berichteten meist via Standbildschaltung | |
zu ihren Korrespondenten, und auch die wenigen bewegten Bilder glichen sich | |
auf den verschiedenen Kanälen. Viele Interessierte wichen auf eine andere | |
Informationsquelle aus: auf den englischsprachigen Dienst von al-Dschasira. | |
Der Fernsehsender und sein Onlineangebot lieferten seit Beginn der | |
Ereignisse in Ägypten rund um die Uhr aktuellste Informationen zu den | |
Protesten und Ausschreitungen. Seine Vorreiterrolle erlangte er dabei auch | |
durch die unfreiwillige Hilfe der ägyptischen Regierung: Als diese am | |
Freitag vor zwei Wochen das Internet abklemmte, schnellten die | |
Zugriffszahlen auf die englischsprachige Website innerhalb von drei Tagen | |
um 2.500 Prozent in die Höhe. | |
Der 24-Stunden-Livestream des Senders aus Ägypten war eine ausgewogene | |
Mischung aus Korrespondentenschaltungen, Livebildern und Kommentaren. | |
Außerdem wurden Neuigkeiten, die über Twitter und Facebook verbreitet | |
wurden, eingebunden. Der Sender wurde damit auch einer breiteren westlichen | |
Öffentlichkeit als ernst zu nehmendes Nachrichtenmedium bekannt. | |
So schrieb der New Yorker Medienprofessor Jeff Jarvis in seinem Blog: "Aus | |
dem Nahen Osten kommen wichtige, weltverändernde Nachrichten, und niemand | |
kann uns Einsichten, Einschätzungen und Vor-Ort-Berichterstattung so | |
liefern wie der englische Dienst von al-Dschasira." | |
Al-Dschasira selbst sieht sich in seinem Selbstverständnis als eine Art | |
Korrektiv der oft stark zensierten und staatlich dominierten arabischen | |
Medienlandschaften. Seit seiner Gründung 1996 hat sich der in Katar | |
beheimatete Sender zum Schrecken nahezu aller Despoten der Region | |
entwickelt. In kaum einem Land der arabischen Welt erhielt er nicht schon | |
mindestens ein Mal Sendeverbot. | |
So auch jüngst in Ägypten: Die Behörden entzogen al-Dschasira die | |
Sendelizenz und setzten via Staatsfernsehen zur Gegenpropaganda an. Neben | |
Störungen des Sendesignals und Festnahmen von al-Dschasira-Journalisten | |
griffen Unbekannte das Kairoer Büro des Senders an. | |
Die quasi Echtzeitberichterstattung von al-Dschasira beruht zu einem großen | |
Teil auf einer engen Symbiose zwischen Sender und Publikum. Die begann 2000 | |
im Rahmen der zweiten Intifada in den Palästinensergebieten. Damals wurden | |
Zwischenfälle und Ausgangssperren direkt an das Büro gemeldet und als | |
breaking news ausgestrahlt. | |
Der Sender erwarb sich durch diese kritische Auseinandersetzungen sowohl | |
mit der palästinensischen Autonomiebehörde als auch mit Hamas und Fatah | |
Respekt und Glaubwürdigkeit in der arabischen Welt. Jetzt setzt sich diese | |
bewährte Kooperation in der ägyptischen Revolte fort. | |
Eine Vertrauensbasis wie diese wiegt für die Bevölkerung im Zweifel | |
schwerer als Ankündigungen der Staatsmedien - wie in Ägypten nach Mubaraks | |
Rücktritt -, nun wirklich "ehrliche" Berichterstattung anzustreben. | |
Häufig wurde die Arbeit des Senders aber auch kritisiert. Mal wurde seinen | |
Journalisten vorgeworfen, sie stünden dem Terrornetzwerk al-Qaida nahe; | |
mal, sie seien zu proarabisch oder antiamerikanisch. Und über die | |
politische Lage in Katar, dem Sitz des Unternehmens und der Heimat des | |
Eigentümers, wird nicht kritisch berichtet. | |
Das Interesse des Senders scheint vielmehr, Katar als relevanten Akteur auf | |
der Weltkarte zu etablieren. Und auch gegenüber dem großen Nachbarn | |
Saudi-Arabien werden selten kritische Stimmen laut. | |
14 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Elias Schneider | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Revolution in Ägypten: "Das ist jetzt mein Land" | |
In Kairo räumen die Demonstranten den Tahrir-Platz auf. Es herrscht | |
Aufbruchstimmung. Die Armee will in sechs Monaten Neuwahlen abhalten. | |
Revolution: Erst Frust, dann Freude, jetzt Solidarität | |
Ein Wechselbad der Gefühle erlebten Berlins ÄgypterInnen an diesem | |
Wochenende. Sie wollen auch nach Mubaraks Rücktritt weiter demonstrieren - | |
für Freiheit und Demokratie in anderen arabischen Ländern. | |
Ägypten nach Mubaraks Sturz: Platz der Freiheit frei geräumt | |
Soldaten haben am Sonntag alle Demonstranten vom Kairoer Tahrir-Platz | |
gedrängt. Noch gibt es keinen Zeitplan für einen Übergang zur Demokratie, | |
und das Militär lässt die Minister im Amt. | |
Revolution in Ägypten: Der schönste Tag ihres Lebens | |
Tags zuvor wollte Mubarak noch bleiben. Doch das Volk reagierte mit | |
weiteren Massenprotesten. Millionen gingen auf die Straße und erzwangen | |
seinen Rücktritt. Jetzt feiern sie ihre Revolution. | |
Revolution in Ägypten: Mubarak ist zurückgetreten | |
Präsident Husni Mubarak ist zurückgetreten und hat dem Militär die Macht | |
übergeben. Auf dem Tahrir-Platz feiern die Demonstranten gelöst ihren Sieg | |
nach 18 Tagen des beharrlichen Protests. |