# taz.de -- Frauen in Afghanistan: Kabul will Frauenhäuser kontrollieren | |
> Die afghanische Regierung will von Hilfsorganisationen geführte | |
> Frauenhäuser übernehmen. Dann böten die Häuser keinen Schutz mehr vor | |
> Zwangsehen und Gewalt. | |
Bild: Laut Human Rights Watch sind seit 2002 14 Frauenhäuser in Afghanistan au… | |
BERLIN taz | Die afghanische Frauenministerin Hussan Ghazanfar hat die | |
umstrittenen Pläne ihrer Regierung verteidigt, Hilfsorganisationen die | |
einzigen im Land existierenden Frauenhäuser abzunehmen und direkt ihrem | |
Ministerium zu unterstellen. Seit 2002 wurden in Afghanistan laut Ghazanfar | |
11 und laut Human Rights Watch 14 Frauenhäuser aufgebaut. | |
Diese Schutzeinrichtungen für Opfer häuslicher und ehelicher Gewalt werden | |
bisher von Hilfsorganisationen geführt und von internationalen | |
Organisationen unterstützt. Die Häuser sind Islamisten ein Dorn im Auge. So | |
wird immer wieder behauptet, die Einrichtungen würden Prostitution fördern. | |
Ghazanfar warf am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Kabul den | |
Frauenhäusern Misswirtschaft und Korruption vor. Die geplante Übernahme | |
stellte sie als überfällige Afghanisierung da, wie sie auch die | |
internationale Gemeinschaft beim Militär mit der sogenannten "Übernahme in | |
Verantwortung" anstrebe. | |
Zugleich warf die Ministerin den Frauenhäusern vor, Frauen zu täuschen. | |
"Einige hatten zu Hause gar keine Probleme und haben sich später bei ihren | |
Familien wie bei uns entschuldigt," sagte sie laut Reuters. "Wir werden | |
nicht irgendwelchen Leuten im Namen einer Schutzeinrichtung erlauben, zu | |
tun, was sie wollen. Wir sind selbst fähig, die Rechte unserer Töchter und | |
Frauen zu schützen." | |
Die Regierungspläne sehen auch vor, dass Frauen sich vor der Aufnahme in | |
ein Frauenhaus medizinisch untersuchen und bei der Polizei registrieren | |
lassen müssen. Danach dürfen sie die Einrichtung nur mit Genehmigung des | |
Ministeriums verlassen. Umgekehrt aber sollen sie das Frauenhaus verlassen | |
müssen, wenn die Frauen von ihren Familien zurückverlangt oder verheiratet | |
werden. | |
Da ein Hauptfluchtgrund Schutz suchender Frauen und Mädchen vor allem | |
Zwangsverheiratungen und Gewalt in der Familie sind, dürften die | |
Regierungspläne die Arbeit der Frauenhäuser konterkarieren. Dies könnte | |
auch durch die geplante Vorschrift geschehen, dass die Häuser künftig nur | |
Frauen aufnehmen dürfen, die keine Straftaten begangen haben. | |
Das kann böse Folgen haben: Bei Ehestreitigkeiten ist es durchaus üblich, | |
den Frauen strafrechtlich relevante moralische Vergehen vorzuwerfen - bei | |
entsprechender Interpretation würden sie dann keinen Schutz erhalten. | |
Ghazanfar reagierte mit ihrer Pressekonferenz auf Alarmrufe von | |
afghanischen und internationalen Frauen- und Menschenrechtsorganisationen. | |
"Die Regierung behauptet, dass die Übernahme der Frauenhäuser zu einer | |
nachhaltigen Finanzierung und besserem Management führt, aber das wirkliche | |
Ziel ist klar: Die Regierung wird immer stärker von Konservativen | |
dominiert, die einen harten Kurs vertreten und Frauenhäuser ablehnen, weil | |
diese Frauen angesichts gewalttätiger Ehemänner und Familienmitglieder | |
etwas Autonomie ermöglichen", sagt Rachel Reid von Human Rights Watch. | |
Laut einem UN-Bericht vom Dezember ist bei 56 Prozent aller (überwiegend | |
arrangierten) Hochzeiten in Afghanistan die Ehefrau jünger als 16 Jahre. | |
18 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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