# taz.de -- Frauenhäuser in Afghanistan: Etappensieg für NGOs | |
> Die afghanische Regierung lässt den Frauenhäusern im Land ihre | |
> Unabhängigkeit. Die Frauenministerin wollte wohl die konservative | |
> Parlamentsmehrheit beeindrucken. | |
Bild: Es gibt gute Gesetze zu Frauenrechten, aber die Regierung neigt immer wie… | |
BERLIN taz | Die afghanische Regierung hat jetzt davon Abstand genommen, | |
von unabhängigen Organisationen (NGOs) betriebenen Frauenhäuser unter | |
Regierungskontrolle zu stellen. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll nicht | |
eingebracht werden. Stattdessen einigte sich die Regierung mit NGOs darauf, | |
eine gemeinsame Kommission zu bilden. Die soll Qualitätsstandards | |
existierender Einrichtungen überwachen und neue Häuser etablieren, wo sie | |
bisher nicht existierten. In den Häusern untergebrachte Frauen sollen auch | |
nicht zurück in ihre Familien gebracht werden. | |
Die amtierende Frauenministerin Hussan Banu Ghasanfar hatte zuvor die | |
Betreiber unter anderem beschuldigt, in ihren Einrichtungen die | |
[1][Prostitution zu fördern]. Konservative Geistliche hatten sofort | |
eingehakt. Enajatullah Balegh vom einflussreichen Rat der Islamgelehrten | |
meinte, die Frauenhäuser seien "nicht sicher. Das sind keine Schutzräume". | |
Der als besonnen bekannte Vizejustizminister Qasem Haschimsai widersprach | |
sofort. Für Prostitution gebe es "keine Beweise". So äußerte sich auch der | |
Chef des Nationalen Sicherheitsrats, der Ex-Außenminister und vormalige | |
Aachener Grüne Rangin Dadfar Spanta gegenüber Frauengruppen. | |
Diese Kehrtwende zeigt, wie eine "Koalition aus Verteidigern von | |
Frauenrechten und internationalem Druck Erfolg haben kann", sagte Rachel | |
Reid, Leiterin des Afghanistan-Büros der Menschenrechtsorganisation Human | |
Rights Watch, der taz. Doch blieben Fragezeichen, so Reid: Der Kampf sei | |
nur "für den Augenblick" gewonnen. | |
Wie in anderen Politikfeldern auch zeigt sich hier eines der zentralen | |
Dilemmas des heutigen Afghanistan: Es gibt gute, zum Teil sogar | |
fortschrittliche Gesetze, aber die Regierung und selbst Präsident Hamid | |
Karsai neigen immer wieder dazu, sie populistisch in Frage zu stellen. | |
Ghazanfar meinte offenbar, die konservative Parlamentsmehrheit beeindrucken | |
zu müssen, denn ihre parlamentarische Bestätigung steht noch aus. | |
Hinter dem Streit um die Frauenhäuser steht auch ein Ringen um Ressourcen. | |
In diese Einrichtungen fließt zwar nicht der Löwenanteil der | |
internationalen Hilfsgelder, aber die Regierung versucht insgesamt, den | |
Zugriff darauf zu erlangen. So trat Karsai höchstselbst Ende Januar eine | |
Debatte um die 27 bewaffneten Provinzaufbauteams (PRT) los, durch die | |
Regierungen wie die der USA und Deutschlands ihre Mittel teilweise an Kabul | |
vorbeikanalisieren, um Korruptionsverluste zu vermeiden. | |
Die PRTs bekommen viel mehr Geld als die Frauenhäuser, im Falle der 13 | |
amerikanischen jeweils mehrere hundert Millionen Dollar im Jahr. Karsai | |
bezeichnete sie deshalb als "Haupthindernis für unsere Anstrengungen zum | |
Staatsaufbau". Doch steht der Beweis noch aus, dass Kabul mit dem Geld | |
verantwortungsvoll umgehen kann. Ein paar Tage später ruderte Karsai | |
zurück: Die PRTs sollten nicht sofort abgeschafft werden, sondern bis 2014, | |
wenn die meisten ausländischen Truppen abgezogen sein sollen. | |
1 Mar 2011 | |
## LINKS | |
[1] /1/politik/asien/artikel/1/kabul-will-frauenhaeuser-kontrollieren/ | |
## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Abzug aus Afghanistan: Die erste Etappe beginnt | |
Drei Provinzen und vier Provinzhaupstädte gehen im Sommer in die | |
Verantwortung des afghanischen Militärs. Die komplette Übergabe soll bis | |
2015 abgeschlossen sein. | |
Tote im Afghanistan-Krieg: Tödliche Erfolge | |
Seit dem Einmarsch in Afghanistan 2001 sind nicht mehr so viele Zivilisten | |
getötet worden wie 2010. US-Befehlshaber Petraeus spricht von großen | |
militärischen Fortschritten. | |
Frauen in Afghanistan: Kabul will Frauenhäuser kontrollieren | |
Die afghanische Regierung will von Hilfsorganisationen geführte | |
Frauenhäuser übernehmen. Dann böten die Häuser keinen Schutz mehr vor | |
Zwangsehen und Gewalt. |