# taz.de -- Kommentar Bürgerschaftswahl in Hamburg: Was ist dieser Sieg für d… | |
> Olaf Scholz agierte in Hamburg mittig und geschickt. Doch weil sich die | |
> CDU in Hamburg quasi selbst vernichtet hat, kann die SPD aus dieser Wahl | |
> nicht wirklich etwas ableiten. | |
Olaf Scholz hat einen schier unmöglichen Sieg errungen. Ausgerechnet er, | |
der farblose Parteibeamte, hat die CDU vernichtend geschlagen und der SPD | |
eine absolute Mehrheit beschert. Und das in einer Stadt, in der die SPD | |
jahrelang nur durch allerlei groteske Affären aufgefallen war. Doch Scholz | |
hat die Partei wieder auf den rechten Weg zurückgeführt: pragmatisch, | |
mittig, bescheiden und solide. So kann die SPD wieder gewinnen. | |
So ungefähr lautet die Erzählung der SPD - aber das ist nur die halbe | |
Wahrheit. Diesen Sieg gäbe es nicht ohne die Selbstvernichtung der | |
Hamburger CDU. Erst das Fiasko der schwarz-grünen Schulreform. Dann Ole von | |
Beusts Abgang, der fast eine Flucht war, dann ein Nachfolger, der wirkte, | |
als wäre er im falschen Film. Jetzt, ohne den weltoffenen von Beust, sieht | |
man, dass die CDU eben keineswegs in den urbanen Milieus angekommen ist. | |
Kurzum: Angela Merkel und der Frust über Schwarz-Gelb in Berlin waren nicht | |
der Grund für Ahlhaus Absturz. Hamburg lässt sich nicht auf den Bund | |
hochrechnen. Dass sich die Westerwelle-FDP, der ein paar frustrierte Ex-CDU | |
Wähler über die 5-Prozent-Hürde geholfen haben, sich dies als eigenes | |
Verdienst zuschreibt, hat schon etwas Verzweifeltes. | |
Für die Linkspartei liegt die Sache so ähnlich wie bei der FDP. So wenig | |
Westerwelle sich den Hamburger Erfolg ans Revers heften darf, so wenig | |
dürfen dies bei der Linkspartei die Chefs Lötzsch und Ernst. Die Hamburger | |
Linksfraktion hat die von Lötzsch ausgelöste Kommunismus-Debatte tapfer | |
überstanden und danach auch mediale Versuche, sie zu verbiesterten | |
Linksextremen zu stempeln. Wiedergewählt wurde die Linkspartei wegen | |
unspektakulärer Sacharbeit. Und wie bei Westerwelle ist auch bei der | |
Linkspartei offen, ob der Hamburger Hoffungschimmer die Agonie der | |
Bundes-Führung nicht bloß unnötig verlängert. | |
Klar ist aber auch: Die SPD sollte sich womöglich doch noch in diesem | |
Jahrzehnt mit dem Gedanken vertraut machen, dass die Linkspartei im Westen | |
nicht wie ein böser Spuk verschwinden wird. Sogar wo die SPD wie ein | |
Staubsauger wirkt und die absolute Mehrheit gewinnt, bringt sie die | |
Linkspartei partout nicht zum Verschwinden. Wo dann? | |
Die Schlüsselfrage lautet: Was ist dieser Sieg für die SPD wirklich wert? | |
Ist es ein Sieg, der doch irgendwie über Hamburg hinausstrahlen wird? Ein | |
Weckruf für die ermüdete Sozialdemokratie? Ein Wegweiser, wohin es geht? | |
Scholz hat gewonnen, weil er die CDU geschickt auf ihrem eigenen Feld | |
angegriffen hat und die ohnehin taumelnden Konservativen damit vollends zu | |
Boden gestreckt hat. Scholz hat einen neoliberalen Wirtschaftssenator | |
nominiert, den auch die CDU schon mal gern haben wollte (und den ihr damals | |
die Grünen ausgeredet haben). Und Scholz hat den Grünen, die nach der | |
schwarz-grünen Bruchlandung sowieso kleinlaut klangen, ihre Rolle | |
zugewiesen: als Kellnerin, die nun doch nicht gebraucht wird. Alles kühl | |
kalkuliert. So hat auch Gerhard Schröder Wahlen gewonnen. Wirtschaftsnah | |
und machtbewusst. Im nüchternen Morgenlicht werden manche Grüne vielleicht | |
ganz froh sein, dass sie nicht mit dieser zu Machtarroganz neigenden SPD | |
regieren müssen | |
Doch ein Passepartout für die sechs Landtagswahlen 2011 ist diese Wahl | |
nicht. In Hamburg kam zusammen, was es sonst nirgends gibt: das Scheitern | |
von Schwarz-Grün in einem Stadtstaat, der auch in zehn Jahren CDU-Regierung | |
seine sozialdemokratische Grundierung nie verloren hat. Nichts wäre | |
törichter, als zu glauben, dass die SPD als Volkspartei alten Stils wieder | |
auferstanden ist, mit uneinnehmbaren Hochburgen und treuer | |
Stammwählerschaft. Und auch Schwarz-Grün ist, trotz dieser Niederlage und | |
Flüchen von beiden Seiten, im Bund längst nicht erledigt. | |
Was kann die SPD also aus Hamburg lernen? Dass das enge Bündnis mit den | |
Wirtschaftseliten wirklich die Rettung für die Bundes- SPD wäre, darf | |
bezweifelt werden. Bei Schröder endete dieser Kurs für die SPD in einer bis | |
heute währenden Sinnkrise. | |
Olaf Scholz, hört man, sei nun der zweitmächtigste Mann in der SPD. Man | |
weiß nicht, ob das für die SPD wirklich eine gute Nachricht ist. | |
20 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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