# taz.de -- SPD nach der Wahl in Hamburg: Die Suche nach der Mitte | |
> Linksbündnisse sind für die SPD vorerst Vergangenheit. Das ist eine | |
> Konsequenz nach dem Sieg in Hamburg. Eine andere: Die Chance von | |
> ökonomischen Themen für die Partei. | |
Bild: In Scholz' Glanz wollen sich auch andere sonnen: Frank-Walter Steinmeier. | |
BERLIN taz | "Mitte". Da ist es wieder, dieses verflixte Wort. Eigentlich | |
hatten sie es in der SPD ja abgehakt oder zumindest umdefiniert. Sigmar | |
Gabriel hat zu Anfang seiner Zeit sinngemäß gesagt, wo die SPD ist, da sei | |
auch die Mitte. Mit diesen Worten des Parteichefs konnten sich die | |
Genossinnen und Genossen abfinden. Aber mit Schröders "Neuer Mitte" wollte | |
trotzdem niemand etwas zu tun haben. | |
Diese Zeiten sind seit Sonntag vorbei. Seit Olaf Scholz in Hamburg gewonnen | |
hat - mit dem wirtschaftsfreundlichsten Wahlkampf, den die SPD seit Jahren | |
geführt hat. | |
"Wir haben bisher noch nie anders Wahlen gewonnen als in der Mitte", sagte | |
der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, der taz. "Wirtschaft | |
muss für alle in der SPD ein Thema werden", ergänzte der | |
wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Garrelt Duin: | |
"Wirtschaft beeinflusst bei vielen Menschen die Wahlentscheidung. Das war | |
auch 1998 bei Gerhard Schröder schon so." Duin hatte im vergangenen Jahr in | |
einem umstrittenen Papier den wirtschaftspolitischen Kurs seiner Partei | |
kritisiert - jetzt fühlt er sich im Aufwind. Genau wie der gesamte | |
konservative Flügel. "Wir werden in Zukunft wieder viel mehr über Dinge wie | |
Investitionsklima oder Technikfreundlichkeit reden", glaubt Duin. | |
Seitdem sich der Durchmarsch von Olaf Scholz in Hamburg angekündigt hat, | |
denken aber auch führende Sozialdemokraten in den Bundesländern darüber | |
nach, was der Erfolg für den künftigen Kurs der Partei zu bedeuten hat. | |
Denn mindestens sechs weitere Parlamente von Sachsen-Anhalt bis | |
Mecklenburg-Vorpommern und Berlin werden in diesem Jahr neu gewählt. Mit | |
besonderem Interesse hat auch die nordrhein-westfälische | |
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Ereignisse von Hamburg verfolgt. | |
Momentan führt sie eine rot-grüne Minderheitsregierung in Düsseldorf, auch | |
bei ihr könnten wie in Hamburg bald vorgezogene Neuwahlen anstehen. | |
Doch Kraft ist skeptisch, was die Schlussfolgerungen für einen eigenen | |
Wahlkampf angeht. Denn der Hamburger Olaf Scholz, so die Analyse in | |
Nordrhein-Westfalen, konnte nur aus einer Position der Stärke heraus einen | |
derart wirtschaftsfreundlichen Wahlkampf führen, wie er es getan hat. Denn | |
schon Wochen vor dem eigentlichen Wahltag stand sein Sieg so gut wie fest. | |
Und so zielte Scholz mit seiner Betonung der wirtschaftlichen Themen auch | |
bewusst auf die Wählerschaft der CDU - und damit auf die absolute Mehrheit. | |
Dennoch hat auch Kraft die Chancen von ökonomischen Themen entdeckt: "Wir | |
wollen in NRW unsere Wirtschaft stärken und zugleich wirksamen Klima- und | |
Umweltschutz sicherstellen", sagte sie der taz. "Viele Unternehmen haben | |
längst erkannt, welche Marktchancen darin liegen, beides zusammenzuführen." | |
Einen Flügelkampf hat die SPD wohl dennoch nicht zu befürchten. Denn selbst | |
in der Parteilinken wird mittlerweile mehr Unternehmensfreundlichkeit | |
angemahnt. "Dass die SPD auf ihre Wirtschaftskompetenz setzt, halte ich für | |
unabdingbar", sagte Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach der taz, "die | |
Erfahrungen aus dem Hamburger Wahlkampf werden wir aufgreifen". Und der | |
schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Ralf Stegner sagte: "Der | |
Pragmatismus grenzt uns von Parteien wie den Grünen und der Linken ab." | |
Zugleich warnte Stegner aber auch vor einem zu wirtschaftsfreundlichen | |
Kurs: "Wir sollten eine starke Wirtschaft nicht als Widerspruch zur | |
sozialen Sicherheit sehen." | |
Ähnlich versucht auch Parteichef Sigmar Gabriel die Diskussionen um einen | |
möglichen Kurswechsel zu beenden, bevor sie richtig losgehen. Seine | |
Strategie: alle Positionen zusammenbinden. | |
So trat Gabriel dann auch am Montag im Willy-Brandt-Haus auf. | |
"Wirtschaftliche Kraft gehört zusammen mit sozialem Ausgleich", sagte er. | |
Es ist die Formel, mit der der Parteichef auch am Sonntag schon vor die | |
Presse getreten ist. Sie bietet zwar keine sonderlich starke Aussage, das | |
ist für Gabriel aber gar nicht schlecht: So kann der ideologiefreie | |
Parteichef noch ein wenig überlegen, ob er nun das Thema Wirtschaft in | |
Zukunft stärker betonen möchte oder nicht. | |
Er habe ja, fuhr Gabriel fort, schon vor einiger Zeit bei einer | |
Pressekonferenz in der SPD-Parteizentrale gesagt, wie er denkt: "Wir müssen | |
Sozialdemokratie und Liberalismus zusammenbringen." Das sei in Hamburg | |
gelungen. | |
"Und es macht auch Sinn, das im Bund genauso zu tun." | |
22 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Gordon Repinski | |
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