# taz.de -- Parlamentswahl in Irland: Arg trübe Aussichten | |
> Die schwere Bankenkrise in Irland fordert politischen Tribut. Der "Stamm | |
> der Gälen" dürfte die "Soldaten des Schicksals" an der Regierung ablösen. | |
Bild: Die jungen Iren wandern aus, tausende von Häusern werden versteigert und… | |
DUBLIN taz | Irland steht bei den Parlamentswahlen am Freitag vor einigen | |
Umwälzungen. Ändern wird sich dadurch aber nicht viel. Laut jüngsten | |
Meinungsumfragen kommt die größte Oppositionspartei Fine Gael ("Stamm der | |
Gälen") auf knapp 40 Prozent der Stimmen. | |
Eine Oppositionspartei im klassischen Sinn war sie noch nie. Sie | |
unterscheidet sich politisch kaum von Fianna Fáil ("Soldaten des | |
Schicksals"), der bisherigen Regierungspartei, die das Land durch die | |
unbegrenzte Bankengarantie, die sie im September 2008 verkündete, Ende | |
vergangenen Jahres in die Arme des Internationalen Währungsfonds (IWF) und | |
der Europäischen Union trieb. | |
Im Gegenzug wurden Irland überhöhte Zinsen und ein drakonisches | |
Sparprogramm auferlegt. Daran zerbrach die Koalition mit den Grünen, sodass | |
vorgezogene Neuwahlen nötig wurden. Fine Gael hat die | |
Regierungsentscheidungen nicht nur mitgetragen, sondern angekündigt, dass | |
man unverändert weitermachen will. | |
Die Existenz beider Parteien hat historische Gründe. Beide haben sich aus | |
der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) entwickelt. Der eine Flügel, aus | |
dem sich Fianna Fáil entwickelte, kämpfte im Bürgerkrieg 1923 gegen die | |
Teilung der Insel, die siegreichen Befürworter der Teilung gründeten später | |
Fine Gael. | |
Seitdem wird Irland von rechtskonservativen Politikern regiert. Fine Gael | |
und Fianna Fáil liegen laut Umfragen gemeinsam bei 53 Prozent. Denselben | |
Anteil hatten sie bei den Europawahlen 2009. Damals war allerdings Fianna | |
Fáil die dominante Partei. Fianna Fáil liegt derzeit bei 14 Prozent, so | |
schlecht wie noch nie. | |
Der Wirtschaftswissenschaftler Eddie Hobbs sagt, Fianna Fáil am Freitag zu | |
wählen sei, als ob man mit einer Karte mit Genesungswünschen auf eine | |
Beerdigung gehe. Die wirtschaftliche Katastrophe habe lediglich bewirkt, | |
dass die Wahlstimmen von einer rechtskonservativen Partei zur anderen | |
wandern. Das Mandat der Wähler für die Abwälzung der Bankenschulden auf die | |
Steuerzahler, für den Deal mit IWF und EU sowie für das drastische | |
Sparprogramm wird durch die Wahl von Fine Gael also praktisch nur | |
nachgereicht. | |
Bei IWF und EU haben die Wahlprognosen denn auch Erleichterung ausgelöst. | |
Vermutlich werden sie die hohe Zinsrate von 5,8 Prozent ein bisschen | |
senken, um der neuen Regierung etwas Starthilfe zu geben. | |
Dabei sah es eine Zeit lang so aus, als ob die Iren sich von den beiden | |
etablierten Parteien abwenden würden. Im vergangenen September lag die | |
Labour Party bei Umfragen mit 34 Prozent klar an der Spitze. Doch sie hat | |
die einmalige Chance vertan. Zwar hatte sie als einzige Partei gegen den | |
"Rettungsschirm" gestimmt, am Ende aber durch Unentschlossenheit dafür | |
gesorgt, dass er vom Parlament abgesegnet wurde. | |
Außerdem hatte sich Labour im Wahlkampf auf Fine Gael eingeschossen, was | |
der Glaubwürdigkeit der Partei ziemlich abträglich war, hatte sie sich doch | |
von vornherein auf eine Koalition mit Fine Gael festgelegt. Inzwischen | |
liegt Labour nur noch bei 18 Prozent, hat also binnen fünf Monaten fast die | |
Hälfte ihrer Wähler eingebüßt. | |
So sind Irlands Zukunftsaussichten trübe. 50.000 junge Iren werden in | |
diesem Jahr auswandern, es ist die größte Welle seit den Achtziger Jahren | |
des vorigen Jahrhunderts. Am Tag nach den Wahlen findet zufällig, aber | |
symbolträchtig die erste Massenauktion von Wohnungen und Häusern statt, die | |
von den Banken wegen Hypothekenrückständen in Besitz genommen worden sind. | |
Versteigert werden auch 15 Baukräne - darunter auch zwei Exemplare, die | |
über der bankrotten Anglo Irish Bank schweben, der einstigen Lieblingsbank | |
der Immobilienspekulanten. | |
25 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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