# taz.de -- Tausende beim "Tag des Zorns" im Irak: "Wir wollen endlich Taten se… | |
> Ausgangssperre und Fahrverbote hielten sie nicht ab: Tausende Menschen | |
> demonstrierten in Bagdad gegen Korruption und Vetternwirtschaft in der | |
> Politik. | |
Bild: "Wir wollen, dass die Politiker endlich auf uns hören": Demonstranten in… | |
BAGDAD taz | Verunglimpfungen, Einschüchterungen durch die Polizei und | |
Armee und selbst Warnungen vor Bombenanschlägen konnten die Iraker nicht | |
abschrecken. Zehntausende haben sich am Freitag landesweit am irakischen | |
"Tag des Zorns" beteiligt. Dabei ließen sich die Demonstranten in Bagdad | |
auch nicht von einem Fahrverbot abhalten. | |
Kurz nach Mitternacht hatte die Regierung die nächtliche Ausgangsperre | |
kurzerhand bis auf Weiteres verlängert und selbst das Fahrradfahren | |
verboten. Am Freitagmorgen wirkte die Hauptstadt verwaist, in zahlreichen | |
Stadtteilen waren zusätzliche Militärfahrzeuge aufgefahren. Rund um den | |
zentralen Tahrir-Platz versperrten Stacheldrahtrollen die Zufahrtsstraßen. | |
Die Dschumhurija-Brücke, die von dort zum Sitz der Regierung und des | |
Parlaments in der Grünen Zone führt, blockierten Betonbarrikaden. Doch je | |
länger der Tag dauerte, umso größer wurde die Menschenmenge. Bis zum frühen | |
Nachmittag versammelten sich etwa 5.000 Demonstranten. | |
Obwohl von den Vorbildern in Tunesien oder Ägypten inspiriert, fordern die | |
Iraker nicht den Rücktritt der Regierung. "Wir haben sie ja selbst | |
gewählt", sagte Ammar Ahmed. "Wir wollen, dass die Politiker endlich auf | |
uns hören." Arbeitsplätze, bessere Bildung und vor allem Dienstleistungen | |
wie Strom und Wasserversorgung brennen den Irakern unter den Nägeln, aber | |
auch die grassierende Korruption und Vetternwirtschaft. | |
Seit Wochen schon halten die Proteste in verschiedenen Städten des Landes | |
an. Dabei erzielten die Demonstranten in der südirakischen Erdölmetropole | |
einen ersten Erfolg. Der Gouverneur erklärte seinen Rücktritt. | |
In den meisten Städten verliefen die Proteste friedlich. In mehreren | |
Städten kam es jedoch zu blutigen Zusammenstößen. Laut der Polizei wurden | |
im Distrikt Hawija drei Männer erschossen, als Demonstranten versuchten, | |
das Gebäude der Stadtverwaltung zu stürmen. In Mossul wurden fünf Personen | |
getötet, als Wachen das Feuer auf die Demonstranten vor dem Sitz der | |
Provinzregierung eröffneten. In den letzten Wochen waren bereits mindestens | |
fünf Menschen bei Protestkundgebungen im südostirakischen Kut und im | |
kurdischen Suleimanija getötet worden. | |
Ähnlich wie in den anderen Ländern organisiert sich auch die | |
Protestbewegung im Irak über soziale Netzwerke. So haben Facebook-Gruppen | |
wie die "Irakische Revolution des Zorns" oder "Wandel, Freiheit und | |
wirkliche Demokratie" zu den Protesten am Freitag aufgerufen. | |
Die Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki reagiert dabei zusehends | |
nervös. Am Donnerstag erklärte er die Protestierenden kurzerhand zu | |
"Feinden der Freiheit". Hinter den Demonstranten stünden Anhänger des | |
gestürzten Saddam-Regimes und die Terrorgruppe al-Qaida im Irak. | |
Gleichzeitig warnte er vor einer Teilnahme an den Demonstrationen. Ammar | |
Ahmed konnte er wie viele nicht beeindrucken. "Wir wollen endlich Taten | |
sehen", sagte Ahmed. "Es reicht." | |
25 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Inga Rogg | |
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