# taz.de -- "Mudschahid" Erbakan: Ein türkischer Islamist | |
> Der frühere islamistische türkische Regierungschef Necmettin Erbakan ist | |
> tot. Der 84jährige galt auch als Mentor des Ministerpräsidenten Erdogan. | |
Bild: Necmettin Erbakan war 1996 bis 1997 der erste islamistische Ministerpräs… | |
BERLIN taz | Die Nachricht überraschte nicht, schließlich war er 84 Jahre | |
alt und herzkrank. Dennoch führte am Sonntag die Meldung vom Tod Necmettin | |
Erbakans zu Aufregung im Land – und in der Milli-Görus-Bewegung in | |
Deutschland. Mit Erbakan starb der prominenteste Vertreter des türkischen | |
Islamismus – ein Mann, den seine Anhänger schlicht "Mudschahid Erbakan" | |
nannten. | |
Erbakan wuchs als Sohn eines hohen Strafrichters im frommen Istanbuler | |
Stadtteil Fatih auf. Hier wirkte in der unter den Islamisten legendären | |
Iskenderpascha-Moschee Mehmet Sahid Kotku, Oberhaupt des durch die | |
Kemalisten in den Untergrund getriebenen Nakschibendi-Ordens. | |
Erbakan ging schon als Kind mit den Erwachsenen beten. Er absolvierte ein | |
deutschsprachiges Jungengymnasium und promovierte nach seinem | |
Maschinenbaudiplom in Aachen. Bei seiner Rückkehr 1953 wurde er mit 27 | |
Jahren Dozent. | |
Aber es zog ihn in die Geschäftswelt und Politik. Mit seinen frommen | |
Freunden gründete er 1956 die erste Motorenfabrik des Landes, Gümüs Motor. | |
1966 war er schon Vorsitzender der Türkischen Industrie- und Handelskammer. | |
Damit begann sein politischer Weg, der zur Gründung mehrerer Parteien | |
führte, an deren Spitze er auch Ministerpräsident (1996) wurde. | |
Erbakan war als Mann des 20. Jahrhunderts ein national gesinnter Etatist | |
und leistete dem Militär nie aktiven Widerstand. Zugleich wurde er aber zum | |
Wegbereiter der Abschaffung der kemalistischen Ordnung mit der starken | |
Armee als Hüterin des militanten Laizismus. | |
Sein berühmtester Zögling ist der jetzige Premier Tayyip Erdogan. Die Wege | |
der beiden Männer trennten sich Anfang der 2000er Jahre, als Erdogan seine | |
eigene Partei gründete. Obwohl Erbakan ihn und seine Freunde der | |
skrupellosen Geschäftemacherei und des Verrats an den mustasaf, den | |
Entrechteten, beschuldigte, blieben sich beide bis zum Schluss verbunden. | |
Erbakan wird mit seinem beißenden Humor und seinen Armani-Krawatten in | |
Erinnerung bleiben. Und mit dem Satz: "Die islamische Ordnung kommt so oder | |
so. Die Frage ist nur, ob der Übergang blutig oder unblutig sein wird." | |
27 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Dilek Zaptcioglu | |
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