# taz.de -- Kommentar zu Guttenberg: Lob der Wissenschaft | |
> Merkel, Seehofer und Co. können versuchen, die Guttenberg-Affäre | |
> auszusitzen. Denn Wissenschaftler haben keine Waffen. Doch dann verlören | |
> die Regierenden ihre Autorität. | |
Die Bundesrepublik Deutschland ist eine parlamentarische Demokratie, in der | |
den Parteien eine überragende Rolle zufällt. Deshalb ist es nur konsequent, | |
wenn auch jedwede politische Affäre durch die parteipolitische Brille | |
begutachtet wird. So wie die CDU immer auf die SPD-Ministerin einprügeln | |
wird, wenn diese mit dem Dienstwagen durch Spanien reist, so haut die SPD | |
konsequent auf den CDU-Landeschef, weil der Fraktionsgelder der Parteikasse | |
zugeführt hat. Weil dieses Spiel über Jahrzehnte eingeübt ist, glaubt das | |
politische Personal, diesem Muster auch in der Promotionsaffäre um | |
Karl-Theodor zu Guttenberg folgen zu können - mit erwartbarem Ergebnis: | |
Union und FDP verfügen über die Mehrheit im Bundestag. | |
Nun aber stellt sich mit jedem Tag, den Guttenberg im Amt verbleibt, | |
heraus, dass das Schema nicht funktioniert. Das liegt an der Besonderheit | |
seiner Verfehlung: Der Baron hat das genaue Gegenteil dessen getan, was die | |
Politik von relevanten Teilen der Gesellschaft zu Recht einfordert: die | |
Wissenschaft voranzutreiben, neue Erkenntnisse zu gewinnen, auf dass das | |
größte Kapital Deutschlands vermehrt wird: Bildung und Wissen. | |
Wenn nun mehr als 17.000 Wissenschaftler bei der Bundeskanzlerin gegen | |
ihren Umgang mit Guttenberg protestieren und dabei ausdrücklich darauf | |
verweisen, dass sie auch dann den Rücktritt des Ministers fordern würden, | |
wenn der einer anderen Partei angehörte, bekommt die Politik ein Problem. | |
Sie verliert ihre Deutungshoheit. Die Geister, die sie rief, haben sich | |
nämlich selbstständig gemacht und fordern genau das ein, was die Politik | |
immer von ihnen verlangt hat. Und es handelt sich bei diesen 17.000 um | |
etwas Besonderes: Hier spricht nicht der Verband der Automatenhersteller, | |
sondern die Elite, auf die gerade Union und FDP in ihren Sonntagsreden | |
immer so viel Wert gelegt haben. Ihre Argumente sind stichhaltig. Wer eine | |
Doktorarbeit offensichtlich in betrügerischer Absicht erstellt, hat ein | |
charakterliches Defizit, das ihn nicht geeignet erscheinen lässt, eines der | |
wichtigsten Staatsämter einzunehmen. | |
Nun können Merkel, Seehofer & Co. natürlich versuchen, diese Affäre | |
auszusitzen. Die Heerschar der Doktoranden, Doctores und Professoren | |
verfügt weder über Handfeuerwaffen, noch stellt sie eine relevante | |
Wählermasse dar. Doch die Regierenden würden dabei eins vergessen: Sie | |
verlören ihre Autorität. | |
28 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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