# taz.de -- Elektronische Tormessung im Fußball: Der Chip im Ball | |
> Der Treffer von Marcell Jansen gegen Mainz ist ein Kandidat für das Tor | |
> des Monats – auch wenn der Ball nicht drin war. Kann Technik den | |
> Schiedsrichtern helfen? | |
Bild: HSV-Spieler jubeln nach dem 1:0 gegen Mainz. | |
BERLIN taz | Es war die 17. Minute im Spiel Hamburger SV gegen Mainz 05. | |
Ein langer Ball von Torwart Frank Rost landete am rechten Flügel bei Mladen | |
Petric. Der Kroate flankte in die Mitte, der Ball kam in hohem Bogen zu | |
Marcell Jansen, der aus 12 Metern Volley abzog: Tor! Oder auch nicht. Denn | |
eigentlich sprang der Ball in Wembley-Tor-Manier von der Unterlatte vor die | |
Torlinie. | |
Schiedsrichter Babak Rafati stand nicht gut, musste sich auf das Signal | |
seines Linienrichters Christoph Bornhorst verlassen – und der zeigte zum | |
Mittelkreis. "Es hat wohl jeder im Stadion gesehen, dass der Ball nicht | |
drin war", sagte Mainz-Manager Christian Heidel nach dem Spiel. Jeder – nur | |
Schiedsrichter und Linienrichter nicht. Und so geht die schon so lange | |
andauernde Diskussion um elektronische Hilfsmittel zur Überwachung der | |
Torlinie weiter. | |
Auch wenn das frühe 1:0 für den HSV dem Spiel eigentlich sogar gut getan | |
hatte – Mainz stürmte danach, anstatt nur zu verteidigen und erzielte am | |
Ende noch vier Tore – beschwerten sich beide Trainer: "Ich bin ein | |
absoluter Verfechter, dass die Torlinie elektronisch überwacht wird", sagte | |
Mainz-Trainer Thomas Tuchel nach dem Spiel. Sein HSV-Kollege Armin Veh | |
genauso: "Es gibt keinen Trainer mehr, der nicht dafür ist. Wir fordern das | |
schon so lange, aber es passiert nichts." | |
## | |
Die Debatte ist hochaktuell: Am vergangenen Samstag tagten die | |
Fifa-Regelhüter im walisischen Newport. Der International Football | |
Association Board (IFAB) entschied sich aber erneut gegen den Einsatz | |
elektronischer Hilfsmittel zur Überwachung der Torlinie. Vorerst, weil | |
keines der zehn zur Debatte stehenden Systeme den offiziellen Test im | |
Februar in Zürich bestanden hatte. Im kommenden Jahr soll dann aber erneut | |
über die Einführung elektronischer Hilfsmittel entschieden werden. | |
Ob es dann ein Chip im Ball wird oder doch eine hochauflösende Kamera, die | |
eigentlich schon jetzt im Tor hängt und die Zuschauer in Sekundenschnelle | |
mit einer Wiederholung versorgt, ist nicht klar. Zunächst wird lieber | |
weiter auf das menschliche Mehraugenprinzip gesetzt. Wie schon in der | |
Champions- und Europa League sollen bei der EM 2012 in Polen und der | |
Ukraine zwei zusätzliche Torrichter eingesetzt werden, entschied der IFAB | |
bei seinem Treffen. | |
## | |
Gegen die Einführung elektronischer Hilfsmittel sprechen mehrere Argumente. | |
Zum einen soll Fußball ein einfaches Spiel bleiben: Ein Ball, zwei Tore und | |
22 Spieler – das muss reichen. Profifußballer sollten nach den gleichen | |
Regeln spielen wie Amateurkicker, das wünscht sich auch die FIFA. Und die | |
Einführung eines Chipa im Ball oder einer Torkamera in sämtlichen Ligen bis | |
herunter zur Kreisklasse ist nicht möglich. Außerdem gehörten "menschliche | |
Fehler zum Fußball wie der Ball", wiederholte FIFA-Präsident Sepp Blatter | |
jahrelang eine alte Fußballweisheit. | |
Den erste ernstzunehmenden Versuch, mit Hilfe von technischen Hilfsmitteln | |
über Tor oder nicht Tor, über Sieg und Niederlage zu entscheiden, gab es im | |
Jahr 2005. Bei der U17-WM wurde zum ersten Mal der Chip im Ball getestet. | |
Er funktionierte eher schlecht als recht, die Schiedsrichter kritisierten, | |
dass das Tor-Signal auch ertönt sei, wenn der Ball die Außen- und nicht | |
nur, wenn er die Torlinie überquert habe. | |
## | |
Bei der WM 2006 in Deutschland wurde daraufhin – und entgegen zahlreichen | |
Ankündigungen von Blatter – auf den Chip im Ball verzichtet. Ein Jahr | |
später sprach sich Blatter für die Torkamera ("Hawk-Eye") aus. Bei den | |
U-20- und U-17-Weltmeisterschaften in Kanada und Südkorea wurde das | |
magische Auge, das im Tennis schon seit Jahrzehnten eingesetzt wird, | |
getestet – fiel aber ebenfalls durch. | |
Im März 2008 entschieden sich die IFAB-Regelhüter dann erstmal gegen | |
elektronische Hilfsmittel – und für zwei zusätzliche Torrichter aus Fleisch | |
und Blut. Zwei Jahre später verkündete die FIFA dann das endgültige Aus für | |
Chip und Kamera. Doch bei der WM 2010 gab es zahlreiche Fehler bei den | |
Unparteiischen, der Höhepunkt war das nicht gegebene Tor von Frank Lampard | |
im WM-Achtelfinale England gegen Deutschland. Blatter machte daraufhin eine | |
erneute Kehrtwende, sagte, er wolle "in Zukunft eine konstruktive | |
Diskussion" zu dem Thema führen. | |
Seitdem wurde weiter nichts entschieden – stattdessen werden immer noch | |
Fußballweisheiten bemüht: So sei es, 44 Jahre nach dem "echten" | |
Wembley-Tor, einfach nur ausgleichende Gerechtigkeit gewesen, dass der | |
Lampard-Treffer nicht gegeben wurde. Und auch Mainz hat ja am Ende auch | |
noch gegen den HSV gewonnen – ohne elektronische Hilfsmittel. | |
7 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Aichner | |
## TAGS | |
Fußball | |
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