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# taz.de -- Flüchtlinge in Tunesien: Zum Warten im Lager verdammt
> Rund 10.000 Menschen aus Bangladesch sind vor den Kämpfen in Libyen nach
> Tunesien geflohen. Dort sitzen sie in einem Flüchtlingscamp fest.
Bild: Flüchtlinge aus anderen Ländern sind längst ausgeflogen, die aus Bangl…
RAS AJDIR taz | Das Warten wird für die über zehntausend Bangladescher, die
aus Libyen nach Tunesien geflohen sind, immer unerträglicher. Während ihre
ägyptischen Leidensgenossen längst in die Heimat ausgeflogen wurden, sitzen
sie im Camp Choucha, sieben Kilometer nördlich des Grenzübergangs Ras
Ajdir, fest. Tag für Tag hoffen sie auf eine Möglichkeit, die Zeltstadt,
die unter Leitung der tunesischen Armee von internationalen
Hilfsorganisationen, wie dem UN-Flüchtlingskommissariat, dem Roten Halbmond
und Islamic Relief errichtet wurde, verlassen zu können.
"Es gibt kaum Flüge. Die Regierung von Bangladesh ist arm", erklären die
Flüchtlinge, die nach Essen anstehen. Kaum einer kann etwas Englisch oder
Arabisch. Mit den Soldaten der Armee, den Freiwilligen und den Helfern der
Hilfsorganisationen ist eine Verständigung meist nur per Handzeichen
möglich.
4.000 Bangladescher wurden mithilfe der Internationalen Organisation für
Migration (IOM) ausgeflogen. Über 10.000 warten weiter. Sie müssen mit
ansehen, wie die Flüchtlinge aus den umliegenden afrikanischen Ländern
abtransportiert werden, während eine Lösung für sie auf sich warten lässt.
Seit über einer Woche geht das so. Botschafter und Regierungschefs aus
afrikanischen Ländern besuchen das Camp, sprechen den Ihren Mut zu. Selbst
der US-Botschafter in Tunesien und der US-Staatssekretär für
Bevölkerungspolitik, Eric Schwarz, waren in Choucha. Nur die Bangladescher
haben keine Nachricht aus der Heimat. Konflikte sind in dieser angespannten
Lage vorprogrammiert. So versuchten am Donnerstag Hunderte von
Bangladeschern das lange Anstehen um Essen zu umgehen, indem sie sich an
einem Vorratscontainer selbst bedienten.
Es kam zu einem Handgemenge mit den sonst so geduldigen Soldaten der
tunesischen Armee. "Dass bei den Flüchtlingen aus Bangladesch die Nerven
blank liegen, ist logisch", entschuldigt ein Beamter der tunesischen
Nationalgarde, der am Eingang zum Camp den Straßenverkehr kontrolliert, die
Vorfälle von Donnerstag. "Viele wollen eigentlich gar nicht nach Hause.
Denn dort erwartet sie noch mehr Armut", sagt er.
Sind sie einmal zurückgekehrt, ist eine erneute Reise in die Emigration mit
hohen Kosten verbunden. Und ob die Flüchtlinge jemals eine zweite Chance
erhalten, ist ungewiss.
"Der Transport für die Menschen aus Bangladesch ist unser einziges
richtiges Problem", gibt der Sprecher der Leitung des Flüchtlingscamps,
Oberst Feithi Bayoudh, zu. Die Versorgung mit Lebensmitteln sei dank
Spenden der tunesischen Bevölkerung "auf Wochen gesichert". Die
Gesundheitssituation haben die Hilfsorganisationen auch im Griff. "Wir
haben ein paar Fälle von Krätze. Aber bisher gibt es keine Anzeichen für
Epidemien", erklärt Oberst Bayoudh. Er ist nicht nur Sprecher der
Armeeführung, sondern auch Militärarzt.
16.000 Menschen befinden sich derzeit im Camp. Rund 2.000 kommen täglich
hinzu. "Doch wir fliegen mindestens doppelt so viele pro Tag aus",
berichtet der Oberst, der hofft, dass sich das Lager in den kommenden zwei
Wochen fast völlig leeren wird. Allein 65.000 Flüchtlinge aus Ägypten
wurden seit vergangenem Wochenende im Lager aufgenommen und in ihre Heimat
zurückgebracht.
Rund um das Lager werden weitere Flächen planiert, Latrinen und Duschen
sowie neue Zelte errichtet. "Wir haben Platz für etwas mehr als 20.000
Menschen", erklärt Bayoudh. Die Organisatoren haben dennoch beschlossen,
weitere Kapazitäten zu schaffen. "Wir wollen auf alles vorbereitet sein",
sagt der Oberst. Die Nachrichten aus Libyen lassen nichts Gutes erwarten.
11 Mar 2011
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Islam
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