# taz.de -- Pannen-AKW Philippsburg alarmiert Berlin: Im Zweifel für die Vertu… | |
> Im Atomkraftwerk Philippsburg sind drei Pannen nicht gemeldet worden – | |
> die Landesregierung in Baden-Württemberg deckt den Betreiber EnBW. | |
Bild: Hier passierten mehr als nur Informationspannen: AKW Philippsburg. | |
BERLIN taz | Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus | |
(CDU) sagt gern, wie sicher die Atomkraftwerke in seinem Bundesland seien. | |
"Ich glaube, es ist die einzige Möglichkeit, es so zu machen, wie wirs | |
machen", ergänzte er am Dienstag, als in Berlin der Beschluss fiel, | |
Neckarwestheim I und Philippsburg I vom Netz zu nehmen. Daheim in Stuttgart | |
darf die Chefin des Landesumweltministeriums, Tanja Gönner (CDU), | |
unterdessen unter den Tisch kehren, wie mans denn so macht mit der | |
Atomkraft: Seine Landesregierung hat der Atomaufsicht des Bundes zwei | |
Pannen im angeblich sicheren Reaktor Philippsburg II nicht gemeldet. | |
Dabei handelt es sich um mehr als nur Informationspannen. Experten | |
schätzten die Fälle gegenüber der taz als gravierender ein als die | |
Dutzenden von kleineren Pannen, die jedes Jahr korrekt gemeldet werden. Von | |
einem dritten Fall erfuhr selbst das Ministerium erst durch ein anonymes | |
Schreiben. Es gelangte bereits vor den Atomunfällen in Japan an die taz, | |
das Bundesumweltministerium (BMU) und andere Medien. | |
Der erste Fall ereignete sich demnach am 12. Mai 2009: Die Armaturen eines | |
Sicherheitsbehälters waren über 12 Stunden regelwidrig geöffnet worden. | |
Während eines Störfalls hatte nach Einschätzung des Insiders Radioaktivität | |
austreten können. Am 17. Juni 2010 sollen nach Lösen eines Abdichtstopfens | |
aus der Kühlleitung 280.000 Liter Reaktorwasser aus dem Brennelementebecken | |
verloren gegangen sein. Als besonders schwerwiegend wird in dem anonymen | |
Brief der dritte Fall vom 19. Januar 2010 eingeschätzt, der demnach drei | |
Tage anhielt: Es hätten wegen eines Fehlers sämtliche drei | |
Notfallkühlsysteme maximal für eine Stunde funktioniert. | |
Wäre das Hauptkühlsystem ausgefallen, hätte es keine ausreichende Kühlung | |
für den Reaktor gegeben. Doch ausgerechnet diesen Fall hat EnBW dem | |
Landesumweltministerium überhaupt nicht gemeldet – was das Ministerium für | |
korrekt hält. Das geht aus einer Antwort des Ministeriums an die grüne | |
Landtagsabgeordnete Gisela Splett hervor. Darin heißt es, alle drei Fälle | |
seien untersucht und gemeldet worden. Als der Wasserpegel im | |
Brennelementbecken sank, sei die Kühlung "in vollem Umfang" gegeben | |
gewesen. | |
Den Zwischenfall vom 2. Mai 2009 hat das Ministerium vor Ort bewerten | |
lassen, der Sachverhalt sei "von offenkundig geringer | |
sicherheitstechnischer Bedeutung". Allerdings lasse das Atomrecht da | |
"erhebliche Bewertungs- und Interpretationsmöglichkeiten" zu. | |
"Ich finde es unglaublich", sagt die Grüne Splett, "dass man davon ausging, | |
dass die Fälle nicht meldepflichtig waren, und bei einem Fall zugibt, dass | |
das nicht so einfach gesagt werden kann." Auch die anderen beiden Fälle | |
seien nicht harmlos. "Es riecht sehr nach Vertuschung." Auch das BMU ist | |
alarmiert. Inoffiziell heißt es, die Sache habe für Wirbel gesorgt. | |
Offiziell will man künftig solche Fehler vermeiden. Der anonyme Informant | |
jedoch hält die Pannen nur für die Spitze des Eisbergs. | |
15 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Nadine Michel | |
Ingo Arzt | |
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