# taz.de -- Nachtzusammenfassung Katastrophe Japan: Japans Norden im Chaos | |
> Die 50 verbliebenen Einsatzkräfte kämpfen auch weiter mit aller Kraft | |
> gegen die drohenden Kernschmelzen in nunmehr fünf Reaktoren. Nun sind | |
> auch Armee-Hubschrauber im Einsatz. | |
Bild: Menschen in Fukushima warten auf einen Strahlentest. | |
PEKING rtr/dpa/taz | Japan hat einen nervenauftreibenden Morgen hinter | |
sich. Am sechsten Tag nach dem schweren Erdbeben der Stärke 9,0 und dem | |
verheerenden Tsunami setzte Japans Regierung im Kampf gegen die berstenden | |
Atomreaktoren in Fukushima-Daiichi am Donnerstag das Militär ein. | |
Zwei Armee-Hubschrauber vom Typ Chinook CH-47 sind seit dem frühen Morgen | |
dabei, Tonnen von Wasser über den Reaktor 3 abzuwerfen. Mindestens viermal | |
ergoss sich ein riesiger Schwall über den Block 3, dessen Dach bei einer | |
Explosion vergangenen Samstag abgerissen worden war. Das Wasser soll das | |
Abklingbecken wieder auffüllen, in dem die radioaktiven Brennstäbe liegen. | |
Nach Angaben des Kraftwerksbetreibers Tepco ist das Becken fast leer. | |
Werden die Brennstäbe zu lange nicht von Flüssigkeit gekühlt, droht eine | |
Kernschmelze. Ob sie bereits stattgefunden hat - dazu gibt es weiterhin | |
widersprüchliche Angaben. | |
Wie wirkungsvoll das Luftmanöver ist, bleibt jedoch ungewiss. | |
Möglicherweise habe sich ein Großteil des Wassers bereits in der Luft | |
zerstreut, gab die Sprecherin von Verteidigungsminister Toshimi Kitazawa zu | |
bedenken. Zuvor hatten die japanischen Behörden den Einsatz zugelassen, | |
nachdem nach Angaben des AKW-Betreibers Tepco die Radioaktivität über | |
Reaktor 3 nachgelassen hatte. Die Einsätze müssten dennoch sehr schnell | |
gehen, sagte die Sprecherin. Denn eine Hubschrauberbesatzung habe jeweils | |
maximal 40 Minuten Zeit, ehe sie wegen der Strahlenbelastung abgelöst | |
werden müsse. | |
Dramatisch bleibt auch die Lage am Reaktorblock 4. Dem Chef der | |
US-Atomsicherheitsbehörde NRC, Gregory Jaczko, zufolge gibt es im dortigen | |
Abklingbecken ebenfalls kein Wasser mehr. Japanische Beamte wollten das | |
nicht bestätigen, gaben aber zu, dass sie nicht mehr wirklich den Überblick | |
hätten. | |
Wegen der hohen Strahlenbelastung dürften sich die Arbeiter dem Reaktor | |
nicht mehr nähern. Es sei nur möglich, "die Lage visuell von weit weg" zu | |
beobachten, heißt es. In Reaktor 4 lagern gebrauchte Brennelemente, die | |
aber ebenfalls hochradioaktiv strahlen. Neue Gefahr bahnt sich zudem von | |
Reaktor 5 an. Dort ist der Wasserstand im Abklingbecken am Vormittag | |
ebenfalls drastisch gesunken und der Druck gestiegen. | |
Unter Hochdruck arbeiten die japanischen Behörden indes daran, die | |
Stromversorgung in der Atomanlage wiederherzustellen. Tepco-Sprecher Naoki | |
Tsunoda versicherte, dass eine neue Stromleitung fast fertig sei und | |
"sobald wie möglich" ausprobiert werden soll. Wann genau es so weit sein | |
wird, sagte er nicht. | |
Der Gouverneur der Präfektur Fukushima, Yuhei Sato, sagte dem japanischen | |
Fernsehsender NHK, dass die Evakuierungsvorbereitungen angesichts der | |
gefährlichen Lage unzureichend seien. "Die Angst und Entrüstung, die | |
Menschen in Fukushima empfinden, haben den Siedepunkt erreicht", sagte er. | |
Bis Mittwoch sind rund 200.000 Menschen im Umkreis von 30 Kilometern um die | |
Atomanlage evakuiert worden. Heute morgen flohen weitere rund 30.000 | |
Menschen aus der Region. Immer mehr Menschen auch im 150 Kilometer | |
entfernten Tokio ergreifen aus Angst vor radioaktiven Strahlen die Flucht. | |
Auch die Lage in den von dem schweren Tsunami heimgesuchten Gebieten im | |
Nordosten der Insel Honshu spitzt sich zu. Die rund 200.000 Menschen, die | |
ihre Häuser verloren haben, kämpfen gegen die bittere Kälte. Auch Benzin | |
und Nahrungsmittel gehen aus. | |
Die Polizei hat die Zahl der offiziell registrierten Todesopfer noch einmal | |
deutlich nach oben korrigiert. Sie nannte 5.195 Tote. Mindestens 9.000 | |
Menschen gelten zudem weiter als vermisst. Stündlich schwinden die Chancen, | |
in den vom Beben und den Riesenwellen verwüsteten Gebieten noch Menschen | |
lebend zu retten. | |
Schon jetzt ist klar, dass Japan die größte und folgenschwerste Katastrophe | |
seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt, als zwei Atombomben das Land trafen. | |
17 Mar 2011 | |
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