# taz.de -- Roland Jahn im Stasi-Knast: Überzeugungstäter im Gefängnis | |
> Der neue Chef der Stasi-Unterlagenbehörde Roland Jahn besucht den Knast, | |
> in den der DDR-Geheimdienst seine härtesten Gegner sperrte. Und kündigt | |
> einen Kampf an. | |
Bild: Roland Jahn im Eingangsbereich der Gedenkstätte Hohenschönhausen in Ber… | |
Wie aus der Zeit gefallen steht das Untersuchungsgefängnis der Stasi in | |
Berlin-Hohenschönhausen. In einem ruhigen Stadtviertel mit ein paar | |
Plattenbauten, einigen Werkshallen und einem Quartier von | |
Einfamilienhäusern eher schlichter Art ragt eine graue Steinmauer heraus. | |
Sie ist beleuchtet mit klobigen Lampen in der Nacht, ein mächtiges Stahltor | |
dient als Eingang, an den Ecken Wachtürme, wie die Älteren sie so ähnlich | |
noch von der innerdeutschen Grenze kennen - das Areal gleicht einem Lager | |
mitten in der Stadt: Von 1951 bis 1990 hat hier das Ministerium für | |
Staatssicherheit (MfS) der DDR in 200 Zellen seine hartnäckigsten | |
Staatsfeinde eingesperrt, darunter etwa den Dissidenten Rudolf Bahro und | |
den Schriftsteller Jürgen Fuchs. | |
Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zeigt die meist gut versteckte | |
Brutalität der SED-Diktatur wie kaum ein anderes Gebäude in der deutschen | |
Hauptstadt - und schon deshalb war es ein politisches Signal, dass Roland | |
Jahn seinen ersten offiziellen Besuch als neuer Chef der | |
Stasi-Unterlagen-Behörde am Mittwochabend gerade hier antrat, am wohl | |
hässlichsten Ort der untergegangenen DDR: Der zentrale Stasi-Knast ist so | |
etwas wie das Stein gewordene Gegenbild jeglicher Ostalgie. | |
## "Gesichter der Friedlichen Revolution" | |
Der Anlass des Besuchs: Die Ausstellung "Gesichter der Friedlichen | |
Revolution" wurde im Verwaltungsbau des einstigen Knasts eröffnet - und | |
Jahn, am Montag erst eingeführt in sein Amt, war der Ehrengast. Die | |
Fotoausstellung zeigt etwa 30 Porträts von DDR-Oppositionellen der Jahre | |
1989/90, Menschen, die in einer der wenigen glücklichen Sekunden der | |
Weltgeschichte ohne Gewalt das SED-Regime überwanden. | |
Auf den Bildern sind neben bekannten Personen wie etwa Bärbel Bohley auch | |
unbekanntere Demokratie-Aktivisten wie Walter Schilling oder Jutta Seidel | |
zu sehen - und eben Roland Jahn, der in der DDR ein halbes Jahr im | |
Stasi-Knast saß, ehe er mit Gewalt nach Westdeutschland geschafft wurde. | |
Jahn war nie angepasst, auch im Westen nicht, wo er ab 1983 leben musste, | |
er ist ein Überzeugungstäter und kann ein rechter Sturkopf sein. Und so | |
nahm es nicht viel wunder, dass er gleich seine erste offizielle Rede als | |
neuer Stasi-Unterlagen-Chef bei seiner Amtseinführung dazu nutzte, eine | |
kleine politische Bombe platzen zu lassen. Denn dabei sagte er im Deutschen | |
Historischen Museum an der Berliner Prachtstraße Unter den Linden: "Die | |
Beschäftigung von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern in der Behörde für die | |
Stasi-Unterlagen ist unerträglich. Jeder ehemalige Stasi-Mitarbeiter, der | |
in der Behörde angestellt ist, ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer." | |
## Kritik von der SPD | |
Tatsächlich sind nach Angaben Jahns etwas mehr als 40 Angestellte seiner | |
neuen Behörde ehemalige MfS-Mitarbeiter - darunter selbst der Pförtner am | |
Haupteingang der Unterlagenbehörde, wie der Leiter der Gedenkstätte | |
Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, vor der Eröffnung der Ausstellung | |
bei einer Podiumsdiskussion mit Jahn sagte. Würde Jahn auch hier bei seiner | |
Forderung nach Entlassung dieser Mitarbeiter bleiben? Und das, obwohl er | |
dafür schon an seinem ersten Tag im neuen Amt viel politische Prügel | |
bekommen hat? | |
Die kam etwa vom innenpolitischen Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, und | |
vom Beiratsvorsitzenden der Stasi-Unterlagen-Behörde, Richard Schröder, | |
ebenfalls SPD. Der Theologe, wie Jahn früher ein DDR-Bürgerrechtler, | |
erinnerte daran, dass bereits zu Zeiten des ersten Leiters Joachim Gauck | |
die Behörde Arbeitsgerichtsprozesse gegen die Ex-Stasi-Leute in ihren | |
Reihen verloren hatte. "So wird es auch jetzt kommen", erklärte Schröder. | |
Als Behördenchef ist Jahn zukünftig Vorgesetzter von 1.600 Mitarbeiterinnen | |
und Mitarbeitern. Er bekräftigte in der Gedenkstätte seine Absicht, die | |
früheren Stasi-Leute in seiner Behörde loszuwerden: "Mir geht es darum, die | |
Behörde zu schützen", erklärte er, "es geht um ihre Glaubwürdigkeit." Wie | |
genau das trotz gegenteiliger Urteile von Arbeitsgerichten möglich sein | |
soll, das sagte Jahn nicht: "Der Rechtsstaat findet Lösungen", betonte er. | |
Man dürfe hier nicht aufgeben. "Wo ein Wille, da ein Weg." Er habe schon | |
mit vielen Arbeitsrechtlern gesprochen - am Ende, so deutete Jahn an, müsse | |
dafür vielleicht ein neues Gesetz geschaffen werden. | |
Das Publikum, darunter viele frühere SED-Opfer, dankte Jahn fast jubelnd | |
für dieses Vorhaben. In der Gedenkstätte führen vor allem ehemalige | |
Insassen des Knastes durch die Dauerausstellung - durch Zellen, in denen | |
die Besucherführer oft selber einst saßen. Ihnen sprach Jahn an diesem | |
Abend aus dem Herzen. Roland Jahn hat einen neuen politischen Kampf | |
begonnen. | |
17 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Philipp Gessler | |
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