# taz.de -- Zusammenfassung – Lage an Japans AKWs: Japan kämpft gegen den Su… | |
> In der Atomanlage Fukushima I sind immer noch drei Reaktoren außer | |
> Kontrolle. Am Sonntag soll die Stromversorgung stehen und damit wieder | |
> die Kühlpumpen betrieben werden. Ein Überblick. | |
Bild: Noch immer funktioniert die Kühlung nicht. | |
Den Live-Ticker zur Lage in Japan [1][finden Sie hier.] | |
BERLIN/TOKIO taz/dapd (letztes Update: Sa, 15.04 Uhr) | Seit dem Ausfall | |
von Stromversorgung und Kühlsystemen in Folge des verheerenden Erdbebens | |
und Tsunamis kämpft Japan gegen einen drohenden Super-GAU. | |
Für drei Kernkraftwerke mit Siedewasserreaktoren nordöstlich von Tokio | |
wurde der atomare Notstand ausgerufen. Betroffen sind zehn Reaktorblöcke: | |
vier im AKW Fukushima-Daiichi (I), drei in Fukushima-Daini (II) und drei in | |
Onagawa. Kritisch ist die Lage nur am AKW Fukushima I. | |
## AKW Fukushima I (Daiichi) | |
Hier droht die wesentliche Gefahr, das AKW Fukushima I ist längst nicht | |
mehr unter Kontrolle. Stattdessen versuchen Techniker, Feuerwehrleute und | |
Soldaten das Schlimmste zu verhindern. Auf Grund der erhöhten | |
Radioaktivität am Kraftwerk müssen die Rettungskräfte immer wieder | |
ausgetuscht werden. Am 16.3. war die Strahlenbelastung so hoch, dass die | |
Anlage komplett geräumt wurde. Mittlerweile ist der Strahlenpegel wieder | |
gesunken. | |
Auch am Samstag setzten Ingenieure, Soldaten und Feuerwehrleute ihre | |
Bemühungen fort, die vier überhitzten Reaktorblöcke 1 bis 4 notdürftig zu | |
kühlen. Nach Angaben von Verteidigungsminister Toshimi Kitazawa sollen die | |
Reaktoren fortan "rund um die Uhr" statt wie bisher phasenweise besprüht | |
werden. | |
Am Reaktor 3 wurden bei einem neuen Kühleinsatz Spezialfahrzeuge der | |
Tokioter Feuerwehr eingesetzt. Erschwert wird der Einsatz durch die hohe | |
Strahlung, die einen Aufenthalt nahe der Reaktorgebäude nur kurzzeitig | |
erlaubt. | |
Besondere Sorge bereiten weiter die Abklingbecken für gebrauchte | |
Brennelemente in den Reaktoren 3 und 4, in denen der Wasserstand zeitweise | |
soweit gefallen war, dass die Brennstäbe freilagen. Die Reaktoren 1 bis 4 | |
sind durch mehrere Explosionen und Brände schwer beschädigt. | |
In den Reaktoren 5 und 6, die ebenso wie Reaktor 4 zur Zeit des Erdbebens | |
abgeschaltet waren, funktioniert das Kühlsystem dank Dieselgeneratoren. | |
Dennoch hat sich auch dort der Druck und die Temperatur leicht erhöht. | |
Deshalb bohrten Techniker am Samstag jeweils drei Löcher in die | |
Reaktorgebäude, um zu verhindern, dass sich leicht entzündlicher | |
Wasserstoff ansammelt. | |
Jetzt werden alle Hoffnungen auf das Starkstromkabel gesetzt. Die | |
Stromversorgung soll am Sonntag wiederhergestellt werden. | |
Mit Hilfe der Leitung sollen die Kühlpumpen der Reaktoren wieder in Gang | |
gesetzt und damit das Schlimmste verhindert werden. Sie sollen die Pumpen | |
wieder in Gang zu bringen. | |
Block 1: Die Stromkabel sind jetzt bis zum Reaktor verlegt. Damit sollen | |
die Wasserpumpen wieder angeworfen werden, die für Kühlung sorgen. Ob die | |
Geräte noch funktionieren, ist aber unklar. In dem Gebäude gab es nach dem | |
Erdbeben einen Ausfall der Kühlsysteme, Wasserstoffexplosionen und Brände. | |
70 Prozent der Brennstäbe sollen beschädigt sein. Um eine komplette | |
Kernschmelze abzuwenden, wurde zur Druckentlastung im Reaktorbehälter Dampf | |
abgelassen. Das führte am Samstag vor einer Woche zu einer | |
Wasserstoffexplosion, die die Gebäudehülle weitgehend zerstörte. Der | |
Reaktorbehälter soll intakt geblieben sein. | |
Block 2: Dort war die Kühlung ausgefallen. Die Brennstäbe lagen mindestens | |
zwei Mal völlig frei. Stromkabel sind auch hier verlegt, um die Kühlung | |
wieder in Gang zu setzen. Ob die Wasserpumpen funktionieren, ist genauso | |
unklar wie in Block 1. In Reaktor 2 gab es zuvor schwere Explosionen und | |
Brände. Die innere Hülle des Reaktors ist beschädigt und Radioaktivität | |
ausgetreten. Am frühen Dienstagmorgen gegen 6:10 Uhr Ortszeit gab es ein | |
sehr lautes Geräusch, von dem unklar ist, ob es wirklich von einer | |
Explosion hervorgerufen wurde. Offenbar ist dabei ein Riss im | |
Reaktordruckbehälter entstanden. Es wird angenommen, dass ein Teil des | |
Reaktorkerns bereits geschmolzen ist. Hier droht derzeit eine komplette | |
Kernschmelze. | |
Block 3: Auch hier gab es aus denselben Gründen wie bei Block 1 am Montag | |
eine Wasserstoffexplosion, die Wände und Decke des Reaktorgebäudes | |
zerstörte. Vermutlich wurde Strahlung freigesetzt. Mit Hilfe von | |
Wasserwerfern sind am Samstag zur Kühlung mehr als 1000 Tonnen Meerwasser | |
auf den Reaktor gespritzt worden. Mit Erfolg, sagt die Regierung. Die | |
Brennelemente dieses Reaktors enthalten auch hochgefährliches Plutonium. | |
Experten schätzen die Lage deshalb als besonders dramatisch ein. Das | |
Kühlsystem ist auch hier ausgefallen, die innere Reaktorhülle soll nach | |
Regierungsangaben aber noch intakt sein. Auch hier teilweise Kernschmelze. | |
Weitere Schäden werden beim Containment für das Abklingbecken vermutet. | |
Block 4: Er war zur Zeit der Naturkatastrophe wegen Wartungsarbeiten | |
abgeschaltet. Der Reaktor selbst ist leer: Die Brennstoffstäbe befinden | |
sich in dem Abklingbecken. Befürchtet wird, dass in dem Becken kein oder | |
nur noch wenig Wasser vorhanden ist. Auch dieser Reaktor soll nach den | |
gemeldeten Erfolgen bei Block 3 am Samstag von außen mit Wasser gekühlt | |
werden. Durch Explosionen klaffen Löcher in der Außenwand des Gebäudes, das | |
Dach ist zerstört. Radioaktivität ist ausgetreten. Obwohl der Reaktor wegen | |
Wartungsarbeiten schon vor dem Erdbeben abgeschaltet war, sehen Experten | |
ihn nach Block 3 als zweite große Gefahrenquelle an. Denn dort sind | |
zahlreiche Brennelemente in einem Kühlbecken mit wenig Wasser von | |
Überhitzung bedroht. Am Dienstagmorgen brach in dem Gebäude mit dem Becken | |
Nr. 4 ein Brand aus. Da durch den radioaktiven Zerfall in dem | |
Kernbrennstoff noch eine enorme Wärme produziert wird, die nicht mehr | |
abgeführt werden kann, heizen sich die Brennstäbe immer weiter auf. | |
Mittwoch brannte es dort erneut. Dabei ist die Reaktorhalle stark | |
beschädigt worden. Zwei Mitarbeiter werden seitdem vermisst. | |
Nach Einschätzung der französischen Atomaufsicht könnten sich die | |
Brennstäbe selbst entzünden, sollte es nicht gelingen, die Kühlung wieder | |
in Gang zu setzen. | |
Block 5 und Block 6: Bislang die wenigsten Probleme. In die Dächer beider | |
Reaktoren-Gebäude wurden Löcher gebohrt. Dadurch soll Wasserstoff | |
entweichen, um Explosionen vorzubeugen. Auch diese Blöcke waren vor dem | |
Beben schon abgeschaltet. Ihre Brennelemente-Lagerbecken sind aber noch | |
gefüllt. Die Kühlbecken werden mit Notstrom aus Dieselgeneratoren des | |
Reaktors 6 gekühlt. Experten sehen die Lage hier etwas entspannter. | |
Zwischenlager für Brennelemente: Zusätzlich zu den Abklingbecken in | |
unmittelbarer Nähe zu den Reaktoren gibt es auf dem Fukushima I-Gelände | |
noch eine zentrales Lagerbecken für Brennstäbe, die zuvor schon längere | |
Zeit abgeklungen sind und daher wietaus weniger Wärme produzieren. In dem | |
zentralen Becken lagern etwa 6.000 Brennstäbe. Über den Zustand der Kühlung | |
liegen keine Angaben vor. | |
## AKW Fukushima II (Daini) | |
An drei von vier Reaktorblöcken war die Kühlung ausgefallen (Block 1, 2 und | |
4). Die Stromversorgung von außen blieb erhalten, doch versagten | |
Anlagenteile und der Druck in den Reaktorbehältern stieg zwischenzeitlich | |
an. Inzwischen sind alle drei nach Angaben der Betreiber kalt abgeschaltet, | |
also außer Gefahr. Auch soll das Nachkühlsystem wieder funktionieren. An | |
den Blöcken 1, 2 und 3 waren erhöhte Strahlungswerte gemessen worden, die | |
aber wieder fielen. Die japanischen Behörden vermuten daher, dass sie auf | |
die Freisetzungen vom AKW Fukushima I zurückgingen. | |
18 Mar 2011 | |
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