# taz.de -- Mütter gegen Atomkraft: "Ich bin erschüttert, entsetzt, wütend" | |
> Gina Gillig von den "Müttern gegen Atomkraft" kritisiert die | |
> Bundesregierung und die Stromkonzerne. Und spricht darüber, dass sich | |
> Männer von ihrer Organisation abgeschreckt fühlten. | |
Bild: "Mütter haben mit der Erziehung der Kinder eine wichtige Funktion in uns… | |
taz: Frau Gillig, Sie haben nach der Tschernobyl-Katastrophe mit anderen | |
Frauen den Verein Mütter gegen Atomkraft gegründet. Ihre Kinder sind längst | |
erwachsen. Wenn Sie heute die Bilder aus Japan sehen, was geht Ihnen da | |
durch den Kopf? | |
Gina Gillig: Ich bin erschüttert, entsetzt und wütend über die | |
Hilflosigkeit, mit der wir noch immer den Atomkonzernen und den | |
Atomparteien ausgesetzt sind. Fukushima zeigt, dass wir nun erst recht | |
weiter Druck von unten machen müssen, damit ein zukunftsfähiges | |
Energiesystem aufgebaut wird. | |
Wie wollen Sie diesen Druck aufbauen? | |
Wir brauchen zivilen Ungehorsam, um etwas zu bewegen. Und gerade Frauen | |
haben die Kraft, jetzt eine Veränderung zu bewirken. | |
Wieso das? | |
Das Symbol, das hinter dem Begriff "Mutter" steht, ist die Sorge um die | |
Schöpfung und die Bewahrung der Lebensumstände für die nachfolgenden | |
Generationen. Das ist ein sehr mächtiges Symbol, das nach Tschernobyl eine | |
große politische Kraft entfaltet hat. Die Verantwortung für die Zukunft | |
unserer Kinder treibt uns an. | |
Gegen Mütter lässt sich schlecht Politik machen. | |
Ja, das stimmt. | |
Was haben Sie denn die letzten 25 Jahre getan? | |
Täuschen Sie sich nicht: Wir sind eine der wenigen Organisationen, die es | |
nach Tschernobyl noch immer gibt. Wir haben fast 1.000 Mitglieder, | |
veranstalten regelmäßig Mahnwachen, geben jährlich zum | |
Tschernobyl-Jahrestag die Zeitung Mutter Courage heraus. Wir sind vernetzt | |
mit zahlreichen Initiativen, organisieren seit 1990 die Hilfsaktion "Kinder | |
von Tschernobyl" in die Ukraine. Und wir betreiben im Landkreis Miesbach | |
eine eigene Messstation zur Messung der Radioaktivität in der Luft, um die | |
Strahlung dort unabhängig ermitteln zu können. Jetzt gerade organisieren | |
wir in vielen kleinen Orten, vor allem in Bayern, wieder Mahnwachen. | |
Und sind Sie noch immer ein reiner Mütterverein? | |
Vereinzelt gab es bei uns schon damals Väter. Früher haben sich die Männer | |
aber von uns abgeschreckt gefühlt. Der Begriff "Mutter" ist ja auch mit | |
Rollenklischees behaftet: die Mutter hinter dem Kochtopf, die in ihrer | |
Wahrnehmung ziemlich beschränkt ist. Wir wurden damals oft belächelt. Das | |
hat sich geändert. | |
Dann sind Sie heute also "Eltern gegen Atomkraft"? | |
Es gab Diskussionen, uns umzubenennen. Wir sind bei dem Namen geblieben. | |
Mütter haben mit der Erziehung der Kinder eine wichtige Funktion in unserer | |
Gesellschaft, die wir mit unserer Arbeit positiv besetzen. Es ist ein | |
Skandal, dass ein E.on-Vorstandsmitglied ein höheres Ansehen genießt als | |
die Mutter mit ihrer Erziehungsarbeit. Das können wir nur selbstbewusst | |
verändern. Jetzt müssen wieder die Mütter auf die Straße gehen, damit diese | |
Bundesregierung begreift, dass es keine Zukunft für die Atomkraft geben | |
darf. | |
23 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Kim Eberhardt | |
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Schwerpunkt Atomkraft | |
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