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# taz.de -- Musikpreis für Christiane Rösinger: Hier gibt es nichts zu hören!
> Am Donnerstag muss Christiane Rösinger den Musikpreis "Echo" bekommen!
> Wenn sie cool ist, lehnt sie ihn ab – er wird von 40-jährigen Männern
> verliehen.
Bild: Diese Frau will nicht, dass jeder ihre Musik hört. Das nennt man "intege…
"Wenn die Ökoeltern sich zum Brunchen treffen / Und die Arschlochkinder
durch die Cafés kläffen ..." (Christiane Rösinger)
Das ist auch so ein Satz, wie ihn nur Christiane Rösinger schreiben kann.
Am Donnerstag sollte ihr ein Preis verliehen werden. Zeit wird's, finde
ich. Nun sind Preise bekanntlich wie Hämorrhoiden: Früher oder später,
wahrscheinlich später, bekommt jeder Arsch arteriovenöse Gefäßpolster. Oder
eben einen "Echo", den die deutsche Tonträgerindustrie per Gala (ARD, 20.15
Uhr) denen verleiht, die ihr dabei geholfen haben, Geld zu verdienen. Wie
Nina Hagen, Nena, Peter Maffay und Reinhard Mey, Schlagertanten wie Andrea
Berg oder Helene Fischer oder David Garrett, der "Teufelsgeiger" der
Saison.
Damit aber nicht zu kurz kommt, wer hierzulande womöglich wirklich
Wichtiges bewirkt hat, gibt es noch eine Kritikerjury, und hier kommt
Christiane Rösinger ins Spiel. Bei Konkurrenten wie Fritz Kalkbrenner,
Pantha du Prince, Kristof Schreuf oder Tocotronic müsste es mit dem Teufel
zugehen, wenn Christiane Rösinger leer ausgeht. Einerseits.
Andererseits sitzt der Teufel wahrscheinlich in der Jury. Denn der Teufel
ist, folgt man der Theologie der Christiane Rösinger, ein Mann um die 40.
Oder, schlimmer noch, der Musikkritiker um die 40. Der Mann um die 40 ist,
neben dem Pärchen ("Pärchen, verpisst euch, keiner vermisst euch")
Rösingers erklärtes Lieblingsfeindbild, wobei auch das Pärchen im Grunde
das Werk von Männern um die 40 ist, wie sie in Interviews gern
extemporiert: "Ich bin gerade dabei zu überprüfen, ob es nicht sogar eine
Erfindung der Männer ist. Denn die Liebe ist so wahnsinnig praktisch für
die Männer."
Dazu kommt übrigens noch das Kind, natürliches Produkt der
"Pärchendiktatur" (Rösinger). Was Rösinger bekämpft, ist also nicht das
wirklich Böse. Sondern ein harmloses Plagenpaket: Öko! Eltern! Brunchen!
Arschlöcher! Kinder! Köter! Als Mann um die 40 mag ich Kunst, die mir den
Spiegel vorhält: "Generell ist der Mann über vierzig eine Katastrophe",
stellt Rösinger in Interviews klar: "Was Musik und Ausgehen angeht, hat er
alles gesehen. Über Jüngere zieht er nur her (…) Ansonsten bleibt der
vierzigjährige Mann gern zu Hause. Macht keine Ausflüge, geht höchstens mal
essen."
## Kein Babysitter für die Arschlochkinder
Der Mann um die 40, er dominiert auch die Musikindustrie. Und die
Journaille sowieso. Er findet nur Jungsbands gut, in denen er
paternalistisch seine verflossene Jugend abfeiert. Deshalb, so die Logik
dahinter, hat's mit dem ganz großen Durchbruch bisher nicht geklappt. Und
vielleicht hat sie ja recht, wenn sie ganz vorurteilsfrei verkündet: "Eine
vorurteilsfreie Art, aufs Leben zu schauen, ist wohl das Privileg der
Frauen." Jedenfalls hat es etwas Erfrischendes, wenn mir über alle Kanäle
deutlich gemacht wird: Hier gibt es für dich nichts zu hören, bitte geh
weiter. Es gibt frauenfeindliche Musik und schwulenfeindliche Musik, da
darf's durchaus mal männerfeindliche Musik geben. Statt XX habe ich nun mal
XY.
Ich will versuchen, das Beste daraus zu machen, mich meiner Schuld zu
stellen: Auf dem iPod etwa horte ich zwar alles von Kate Bush, Joni
Mitchell, Patti Smith, Laurie Anderson, Nina Simone, Polly Jean Harvey,
Joan Baez, Grace Jones, Sandy Denny, Vashti Bunyan, Linda Perhacs, Margo
Guryan, Maria Tanase, Janelle Monáe, Christa Päffgen, Hildegard Knef, Karen
O., Daliah Lavi und Christiane Rösinger - aber das war's auch schon mit den
Frauen.
Fast kommt man sich wie ein Stalker vor, wenn man sich trotzdem auf den Weg
macht, um "Songs Of L. And Hate" zu kaufen. Für Geld. Karstadt: "Rösinger?
Meinen Sie Rössinger? Müssten wir bestellen, das dauert aber." Saturn:
"Ha'm wir nicht da. Soll das ein Geschenk sein? Wie wär's mit der neuen
Andrea Berg?". Media-Markt: "Rö …? Und das buchstabiert man wie?"
Vielleicht liegt's gar nicht an den Männern. Sondern am Vertrieb. Gerne
hätte ich vor zwei Wochen dann wenigstens ihr Konzert besucht. Nix
Gästeliste, Eintrittskarte kaufen. Klappte aber auch nicht. Konnte keinen
Babysitter auftreiben für meine Arschlochkinder.
24 Mar 2011
## AUTOREN
Arno Frank
Arno Frank
## TAGS
Musik
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