# taz.de -- 300 zusätzliche Soldaten für Awacs-Einsatz: Ersatzort Hindukusch | |
> Afghanistan statt Libyen: Der Bundestag schickt 300 zusätzliche Soldaten | |
> ins Kampfgebiet. Die Opposition weiß nicht, ob sie die Aktion der | |
> Regierung verwegen oder panisch findet. | |
Bild: Für Außenminister Guido Westerwelle (FDP) liegen Afghanistan und Libyen… | |
BERLIN taz | Der Hindukusch hat schon für manches herhalten müssen. Mal | |
wurde hier die "uneingeschränkte Solidarität" (Gerhard Schröder) mit den | |
USA demonstriert, später die "Sicherheit Deutschlands" (Peter Struck) | |
verteidigt. Und ganz aktuell, so jedenfalls erfuhr es am Freitag der | |
Bundestag von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), wird in | |
Afghanistan nichts Geringeres verhindert, als "dass wir unsere Verbündeten | |
in Libyen in Gefahr bringen". | |
Nun sind Afghanistan und Libyen zwar sechstausend Kilometer voneinander | |
entfernt, in der militärpolitischen Logik der schwarz-gelben Koalition | |
aber, als deren prominentester Vertreter Westerwelle am Freitag vor dem | |
Bundestag für die Ausweitung des Afghanistaneinsatzes warb, liegen die | |
beiden Länder sehr nah beieinander: Deutschland beteilige sich zwar nicht | |
an dem Krieg in Libyen, verteidigte Westerwelle erneut die Enthaltung im | |
Sicherheitsrat. Dafür aber, quasi als Kompensation, sollten nun 300 | |
zusätzliche Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan geschickt werden. | |
Diese Soldaten würden in den Awacs-Aufklärungsflugzeugen über den | |
gebirgigen Regionen Afghanistans eingesetzt, was den anderen Nato-Partnern | |
wiederum ermögliche, ihre Soldaten verstärkt in Libyen einzusetzen. | |
Westerwelle nannte dieses Vorgehen eine "Bündnispolitik der Vernunft". | |
Am Ende folgte zwar eine Mehrheit ([1][Ergebnis namentliche Abstimmung], | |
PDF) von 407 Abgeordneten aus CDU, FDP, großen Teilen der SPD und einem | |
guten Dutzend Grünen seinem Appell, der deutschen Beteiligung an den | |
Awacs-Einsätzen zuzustimmen. Die Truppenstärke der Bundeswehr in | |
Afghanistan wächst damit auf bis zu 5.300 Soldaten. Die 75-minütige Debatte | |
vor der namentlichen Abstimmung jedoch nutzte die Opposition, wortgewaltig | |
ihren Unmut über das Regierungshandeln kundzutun, das sie als Aktionismus | |
wertete. | |
"Man muss schon verwegen oder panisch sein, um drei Tage vor den | |
Landtagswahlen wie Ziegen aus dem Busch zu kommen und das Thema Afghanistan | |
auf die Tagesordnung zu pressen", maulte der SPD-Fraktionschef und | |
ehemalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier. In einem "für das | |
Parlament unwürdigen Schweinsgalopp" solle eine Entscheidung fallen, die | |
weder mit der Situation in Afghanistan noch mit den Bedürfnissen der Nato | |
noch mit der Gefahrenlage in Deutschland zu tun habe. "Der Grund heißt | |
Libyen", entrüstete sich Steinmeier, "der Regierung steht das Wasser | |
bündnispolitisch bis zum Hals, Sie konnten sich nicht entscheiden zwischen | |
Friedensfürst und Bündnistreue." | |
## Ein Scherbenhaufen | |
Den dadurch verursachten "bündnispolitischen Scherbenhaufen kitten" helfen, | |
pflichtete der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, ihm bei, solle | |
jetzt das Parlament. Doch anders als die SPD sei die Mehrheit seiner Partei | |
dafür nicht zu haben, betonte Trittin: "Das Mandat ist inhaltlich falsch | |
und kommt zur falschen Zeit." Anders als früher diene die Luftüberwachung | |
der "offensiven Aufstandsbekämpfung". Und was Libyen angehe: Da solle die | |
Regierung doch bitte, wenn sie es ernst meine mit den Friedensbemühungen, | |
ein Mandat zur Durchsetzung des Waffenembargos vorlegen. "Das tun Sie aber | |
nicht!" | |
Und weil er sich gerade in Fahrt redete, drosch Trittin noch auf die Linke | |
ein, die als einzige Fraktion jeglichen Bundeswehreinsatz ablehnt. | |
"Brüderlich vereint mit dieser Koalition" redeten die linken Abgeordneten | |
davon, dass keine Waffen in Konfliktgebiete geliefert werden dürften. "Aber | |
wenn es darum geht, das durchzusetzen, dann tauchen auch Sie ab!" Demnächst | |
würden die Linken womöglich mit der Union "ein dreimonatiges Moratorium der | |
Mitgliedschaft Deutschlands in der Nato" fordern, ätzte er. | |
Der Fraktionsvize der Linken, Jan van Aken, nannte die Debatte prompt | |
"unwürdig". Kein Krieg, egal wo, diene der Sicherheit der Bevölkerung. | |
Sondern fordere eine Vielzahl ziviler Opfer. Das wiederum provozierte die | |
FDP-Abgeordnete Elke Hoff zur Frage: "Wären Sie so freundlich uns | |
mitzuteilen, wer mehr zivile Tote verursacht, die Taliban oder Isaf?" | |
Darauf Jan van Aken, sichtlich zornig: "Wenn Sie diesen Krieg beenden, dann | |
gibt es von beiden Seiten keine Opfer mehr." Da lachten hunderte | |
Abgeordnete fraktionsübergreifend recht herzlich. | |
25 Mar 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/20110325_awacs.pdf | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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