# taz.de -- Hans-Ulrich Klose über Berlins Libyen-Politik: "Deutschlands Ruf i… | |
> Die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zu Libyen war das falsche | |
> Signal, sagt der SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose. Ein Sitz im | |
> Sicherheitsrat sei nun unrealistisch. | |
Bild: Flucht vor Gaddafis Truppen: Eine Famliie auf dem Weg nach Bengasi. | |
taz: Herr Klose, wie denkt jemand, der sich bis vor kurzem um diplomatische | |
Beziehungen gekümmert hat, über die deutsche Außenpolitik? | |
Hans-Ulrich Klose: Vorsichtig formuliert: Ich bin nicht sehr glücklich. Es | |
sind in den vergangenen Tagen gravierende Fehler gemacht worden. | |
Was meinen Sie genau? | |
Die Entscheidung, sich im Sicherheitsrat zu Libyen zu enthalten, war ein | |
Fehler. Es war nötig, ein Signal an Libyen zu senden, dass die | |
internationale Gemeinschaft eingreifen würde, wenn es nicht zu einem | |
Waffenstillstand kommt. Es geht schließlich darum, dort ein massenhaftes | |
Blutvergießen zu verhindern. | |
Hätte Deutschland sich mit einer Zustimmung automatisch an Kampfeinsätzen | |
beteiligen müssen? | |
Nicht unbedingt. Zunächst stand das Zeichen an Gaddafi. | |
Wäre es richtig für die Bundesrepublik gewesen, sich zu beteiligen? | |
Eine Flugverbotszone ist sinnvoll, ein Waffenstillstand zu erreichen, ist | |
es auch. Sich zu beteiligen heißt nicht, Kampftruppen zu schicken. | |
Awacs-Einsätze in Libyen wären aber möglich gewesen. Stattdessen als | |
Ausgleich mehr Truppen nach Afghanistan zu schicken, ist ein seltsamer | |
Deal. | |
Ist die deutsche Außenpolitik durch Libyen nachhaltig beschädigt? | |
Wir haben ein problematisches Signal abgegeben, das über den Tag der | |
Entscheidung hinaus reicht. Es war immer Grundlage deutscher Außenpolitik, | |
gemeinsam mit Bündnispartnern zu operieren. Keine Alleingänge, keine | |
Sonderwege. In diesem Fall haben wir uns von diesem Grundsatz gelöst. Wir | |
standen ohnehin bei unseren Partnern im Verdacht, in schwierigen Lagen | |
nicht verlässlich zu sein. Nichts gegen Zurückhaltung - aber es schadet | |
Deutschlands Position und mindert unseren Einfluss, wenn der Eindruck | |
bestärkt wird, dass wir nicht verlässlich sind. Deutschlands Ruf in Europa | |
ist beschädigt. | |
Ist es richtig, sich bei Auslandseinsätzen zurückzuhalten? | |
Es war ein mühsamer Prozess, sich an die Rolle eines Sicherheitsproduzenten | |
zu gewöhnen - nachdem wir jahrelang Sicherheitskonsument waren. Dieser | |
Wandel war schwierig, aber richtig. Ich würde mir Sorgen machen, wenn wir | |
immer gleich Hurra rufen und in jeden Kriegseinsatz sofort losmarschieren | |
würden. Deshalb hätte ich mir die Abstimmung auch nicht leicht gemacht. | |
Aber weil ich es für so wichtig halte, keine Sonderwege zu gehen, hätte ich | |
letztlich zugestimmt. | |
Deutschland strebt einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat an … | |
… diese Ambitionen haben keine sehr realistische Grundlage mehr, nein. | |
Ist dies auf Jahre erledigt? | |
Das Verhalten Deutschlands war jedenfalls nicht förderlich. Ich habe aber | |
nie daran geglaubt, dass unsere Chancen in dieser Frage groß sind. | |
Deutschland ist erst Ende letzten Jahres für zwei Jahre in den | |
Sicherheitsrat gewählt worden - und wollte Verantwortung übernehmen. Was | |
kann man jetzt hier noch erreichen? | |
Die Bundesregierung muss sich bemühen. Aber diese Bemühungen sehe ich | |
bislang nicht. Dagegen sehe ich, dass es auch innerhalb der Koalition bei | |
den Parlamentariern rumort. | |
Angela Merkel steht mit der CDU vor wichtigen Landtagswahlen - opfert Sie | |
die Außenpolitik dem Wahlerfolg? | |
Es zeichnet die deutsche Debatte aus, dass wir viel über den Einfluss von | |
Landtagswahlen diskutieren. Ich halte das für unangemessen. | |
Was treibt die Bundesregierung dann, sich derart zu verhalten? | |
Deutschland hat sich verändert seit der Zeitenwende 89/90. Es ist | |
selbstbewusst geworden, haben die Briten damals gesagt. Das hat sich später | |
auch an der Außenpolitik der Regierung Schröder mit dem Nein zum Irakkrieg | |
gezeigt. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass Deutschland damals | |
zumindest an der Seite Frankreichs gehandelt hat. Das war zum Teil auch | |
kippelig. Aber weil selbst diese Zusammenarbeit jetzt nicht mehr vorhanden | |
war, ist die aktuelle Entscheidung noch weitreichender. | |
Gibt es aus Ihrer Sicht ein neues Paradigma deutscher Außenpolitik? | |
Ich bin etwas unsicher. Die deutsche Außenpolitik sollte innehalten und | |
sich ihrer Grundlagen neu vergewissern. | |
Sie haben sich im Außenministerium bis vor kurzem um die Westbindung | |
Deutschlands gekümmert - ist dies dem Außenminister Westerwelle nicht so | |
wichtig? | |
Ich habe in der kurzen Amtszeit als Koordinator für die zivilen Beziehungen | |
mit den USA und Kanada den Außenminister nur ein- oder zweimal kurz | |
gesprochen. Ich kann mir kein Urteil über seine Motivation in diesem Fall | |
erlauben. Ich halte aber seine aktuelle Entscheidung für einen | |
grundlegenden Fehler. Ich bin deshalb mit dem, was er macht, nicht | |
zufrieden. | |
Sehen Sie die Möglichkeit, dass sich die Politik am Ende doch noch als | |
richtig herausstellt - nämlich wenn der Libyen-Einsatz langwierig und | |
blutig wird und die gesetzten Ziele nicht erreicht werden? | |
Dies ist der Grund, warum ich auch innerlich abwägen musste. Der Einsatz | |
ist riskant, fordert zivile Opfer und kann schiefgehen. Aber es war | |
letztlich vorrangig, ein Signal zu setzen, bevor Bengasi zu einem neuen | |
Synonym für Massenmord geworden wäre. Ohne UNO-Resolution würden wir heute | |
wohl darüber reden, ob wir nicht diesen Massenmord hätten verhindern | |
müssen. | |
23 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Gordon Repinski | |
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