# taz.de -- Spielabbruch in der Fußball-Bundesliga: St. Paulis Genickbruch | |
> Ein Bierbecher-Wurf auf den Schiedsrichter-Assistenten beendet das | |
> Pauli-Spiel gegen Schalke 04 beim Stand von 0:2. Da standen nur noch neun | |
> St. Paulianer auf dem Platz. | |
Bild: Bierbecher von hinten: St. Paulis Matthias Lehmann ahnt, dass der Wurf au… | |
HAMBURG taz | Zum ersten Mal in der Bundesliga-Geschichte wurde am | |
Freitagabend ein Spiel des FC St. Pauli vorzeitig abgebrochen. Beim | |
Spielstand von 0:2 beendete Schiedsrichter Deniz Ayetkin die Partie drei | |
Minuten vor dem regulären Ende vorzeitig, nachdem ein voller Bierbecher | |
seinen Assistenten Thorsten Schiffner im Nacken getroffen hatte. Das | |
unrühmliche Ende eines Spiels, das für den FC St. Pauli aus einer | |
Aneinanderreihung von Katastrophen bestand und den Club der Zweiten Liga | |
ein großes Stück näher brachte. Das Ergebnis wird nun am grünen Tisch | |
verhandelt, den Hamburgern droht eine Platzsperre, zumindest aber eine | |
saftige Geldstrafe. Daneben werden den verletzungsgebeutelten Hamburgern im | |
nächsten Spiel Jan-Philipp Kalla und Fin Bartels fehlen, die Schiedsrichter | |
Ayetkin in der zweiten Halbzeit vom Platz gestellt hatte. | |
Die gesamte Partie war zuvor von Hektik geprägt. Die Hausherren – bei denen | |
überraschend Benedikt Pliquett für Thomas Kessler das Tor hütete – begannen | |
übernervös und hätten schon nach 90 Sekunden zurückliegen können – doch | |
Christoph Metzelder traf nur die Latte. Nur wenige Sekunden später brachte | |
Fabian Boll nach einem katastrophalen Fehlpass von Ralph Gunesch den | |
Schalker Raul an der Strafraumgrenze zu Fall, doch die Attacke blieb | |
ungeahndet. Im Gegenzug vergaben die Hamburger ihren ersten Hochkaräter. | |
Der agile Finn Bartels hatte sich auf der linken Seite durchgesetzt, Gerald | |
Asamoah weitergeleitet, doch Charles Takyi verpasste Zentimeter vor der | |
Torlinie. | |
In der Folge entwickelte sich ein Kampfspiel, in dem die spielerischen | |
Akzente auf der Strecke blieben. Die Hamburger wirkten hoch motiviert, | |
scheiterten im Spielaufbau aber immer wieder an ihren ungenauen Zuspielen. | |
Chancen auf beiden Seiten wurden fahrlässig ausgelassen – allein drei | |
Schüsse von Boll aus aussichtsreicher Position wurden jeweils in letzter | |
Sekunde abgeblockt. Auf der anderen Seite zwang der für den verletzten | |
Mario Gavranović eingewechselte Edu Pliquett nach 25 Minutern zu einer | |
ersten Glanzparade. Bei der anschließenden Ecke aber war der Hamburger | |
Keeper chancenlos, als der nicht gedeckte Raúl den Ball gegen seine | |
Laufrichtung ins Tor köpfte.„Da hätten wir auch das Flutlicht ausstellen | |
können, und Raúl hätte trotzdem getroffen“, sagte St. Pauli-Trainer Holger | |
Stanislawski später. | |
Dennoch kamen die Hamburger mit viel Schwung aus der Kabine, schnürten die | |
Schalke nun ein, kamen aber kaum zu klaren Chancen. Nach 65 Minuten aber | |
hatten die meisten der 24.487 Zuschauer den Torschrei auf den Lippen: Aus | |
20 Metern verwandelte Max Kruse einen Freistoß direkt. Schiedsrichter Deniz | |
Aytekin zeigte zunächst Tor an, versagte dem Treffer nach einem kurzen | |
Palaver aber doch noch die Anerkennung, weil der knapp im Abseits postierte | |
Boll Torhüter Manuel Neuer irritiert haben soll. | |
Die Hamburger waren noch am Lamentieren, da erzielte Julian Draxler im | |
direkten Gegenzug die Schalker 2:0-Führung. „Das hat uns das Genick | |
gebrochen“, analysierte Trainer Holger Stanislawski nach der Partie. Doch | |
damit nicht genug: Nur eine Minute später sah St. Paulis mit gelb | |
vorbelasteter Linksverteidiger Jan-Philipp Kalla nach einem Foul an | |
Jefferson Farfán die gelb-rote Karte. St. Pauli versuchte zwar auch in | |
Unterzahl weiter Druck zu machen, lief aber immer wieder in schnelle Konter | |
der Schalker, die nun Platz hatten. Zwölf Minuten vor Schluss ließ | |
Rechtsverteidiger Fin Bartels bei einem dieser Angriffe Farfán über die | |
Klinge springen und sah dafür glatt rot. | |
Damit fehlen den Hamburgern in der nächsten Partie in Leverkusen gleich | |
sieben etatmäßige Verteidiger. St. Pauli hat nun seit dem Sieg im Derby | |
beim HSV sechsmal hintereinander verloren. Allmählich klingt alles, was man | |
im Verein zu hören bekommt, nach Durchhalteparolen: „Das ist ein ganz | |
schwerer Tag für den FC. St. Pauli. Wir werden aber hier nicht irgendwelche | |
Flinten vorschnell ins Korn werfen“, meinte Sportchef Helmut Schulte. Und | |
der mit einem angerissenen Band ins Spiel gegangene Fabian Boll sagte mit | |
einem Eisbeutel am Fuß: „Wir sind noch lange nicht an dem Punkt angekommen, | |
wo wir in'n Sack hauen, wo wir sagen: wir haben keine Lust mehr.“ | |
Trainer Holger Stanislawski, über dessen Zukunft in Hamburg seit Wochen | |
spekuliert wird, wirkte konsterniert – über die Fehler seiner Mannschaft | |
ebenso wie über den Spielabbruch. „Ich kann mich nur für diesen Vollhonk | |
entschuldigen, der meint, er müsse sein Bier nicht trinken sondern werfen“, | |
sagte er. Wie Pfeifen im Walde klang es, als er hinzufügte: „Wir müssen | |
jetzt den Kopf oben behalten und darauf warten, dass sich noch mal eine Tür | |
für uns öffnet.“ | |
St. Pauli muss am kommenden Wochenende beim Tabellenzweiten Leverkusen | |
antreten, danach beim Abstiegskonkurrenten VfL Wolfsburg. In den letzten | |
beiden Heimspielen geht es gegen den ebenfalls gefährdeten SV Werder und | |
gegen die Bayern, die um die Qualifikation für die Champions League ringen. | |
Also alles Mannschaften, für die es ebenfalls um alles geht. Lediglich | |
Mainzer, bei denen St. Pauli am letzten Spieltag antritt, könnten die | |
Teilnahme an der Europa League bis dahin sicher haben. Aber gegen die hatte | |
St. Pauli im Hinspiel am Millerntor ganz schlecht ausgesehen. | |
2 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
## TAGS | |
Fußball | |
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