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# taz.de -- Havariertes AKW Fukushima: Mehr Strahlung, weniger Information
> Das Meer ist stärker verseucht als angenommen. Die Reaktoren strahlen so
> stark, dass sich die Helfer nicht mehr herantrauen. Und die Wetterbehörde
> hält Daten zurück.
Bild: Da waren sie noch am Reaktor dran: Arbeiter in Schutzkleidung auf dem Gel…
BERLIN taz | Die Strahlenbelastung am AKW Fukushima Daiichi ist weit höher
als bisher bekannt. Das gab am Dienstag die Betreiberfirma Tepco zu. Das
Meerwasser am Zufluss für den Reaktor 2 wies demnach Werte 7,5 Millionen
Mal über dem Grenzwert als für Jod 131 erlaubt. Ein Kubikzentimeter
strahlte nach diesen Messungen bereits am Samstag mit 300.000 Becquerel.
Tepco meinte zur Beruhigung, die Werte seien bis Montagmorgen bereits auf
200.000 Becquerel gefallen.
Was die Strahlung konkret bedeutet, schilderte ein Strahlenschützer aus dem
AKW gegenüber dem TV-Sender NHK: Die Belastung in den Blöcken 1 bis 3 seien
so hoch, dass kein Arbeiter sich dort mehr hinwage. Messungen würden
dadurch sinnlos. Auch außerhalb der Blöcke lägen die gemessenen Werte oft
bei 100 Millisievert pro Stunde, sodass an längere Arbeiten nicht zu denken
sei.
Die extremen Strahlenwerte wurden von der deutschen Gesellschaft für
Reaktorsicherheit (GRS) als plausibel erachtet. Immerhin seien letzte Woche
für Wasser im Reaktorkeller Jod-131-Werte von 13 Millionen Becquerel
gemessen worden. Schon wer neben diesem Wasser steht, bekommt eine Dosis
von 1.000 Millisievert pro Stunde ab. Bei diesen Dosen steigt das
Krebsrisiko massiv, schon wenige Stunden dieser Belastung können tödlich
sein.
Die hohen Werte erklären auch die verzweifelten Maßnahmen der Betreiber:
Sie müssen dieses Wasser aus den Arbeitsbereichen wegbekommen. Deshalb wird
geringradioaktives Wasser aus den Tanks in den Reaktoren ins Meer gepumpt,
um Platz für das hoch radioaktive Wasser aus den Reaktoren zu bekommen. Ob
die Tanks ausreichen, ist allerdings zweifelhaft: Tepco will knapp 12.000
Tonnen schwach strahlendes Wasser ins Meer leiten, doch insgesamt wird eine
Menge von 60.000 Tonnen hochradioaktivem Wasser in den Kellern der
Reaktoren erwartet. Immerhin schafften es die Helfer, das Leck an Reaktor 2
im Laufe des Dienstags teilweise abzudichten.
Die radioaktive Verseuchung des Meerwassers kann nach einer Studie der
französischen Atomsicherheitsbehörde IRSN noch Monate und Jahre andauern.
Zwar seien manche Stoffe wie Jod 131 nur kurzlebig, und der Pazifik
vermische die strahlenden Teilchen, schreiben die Experten in einem
aktuellen Gutachten. Doch langlebige Belastungen des Meeresbodens, der
Strände und der Fische, Muscheln und Algen müssten genau untersucht werden.
Grundsätzlich habe Japan eher Glück: Das Zusammentreffen zweier
Meeresströme vor der Küste transportiere die strahlende Fracht in Richtung
Nordosten aufs offene Meer. Die Küste werde aber trotzdem betroffen sein
und die Radioaktivität eher an der Oberfläche bleiben, weil sich die
Wasserschichten nur langsam mischten.
Informationen über die Strahlenbelastung sind in Japan allerdings schwer zu
bekommen. Nach einem Bericht der Zeitung Yomiuri Shimbun hält etwa die
staatliche Agentur für Meteorologie Informationen darüber zurück, wie sich
mit dem Wind die Radioaktivität über dem Festland verteilt. Die Agentur
erstelle täglich Windkarten und übergebe sie der internationalen
Atombehörde IAEO in Wien. Die melde sie an das japanische Krisenzentrum
zurück, von wo sie aber nicht an die Öffentlichkeit gelangten. Der
offizielle Grund laut Yomiuri Shimbun: Da die Behörde eine eigene
Wettervorhersage veröffentlicht, wolle sie keine Verwirrung stiften. Doch
diese Vorhersage habe sie seit dem Atomunfall bisher nur einmal
herausgegeben.
5 Apr 2011
## AUTOREN
R. Metzger
B. Pötter
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