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# taz.de -- ROT-GRÜN-BILANZ (1): Die unangreifbare Position
> Trotz Rekordverschuldung und Gruselzahlen - durch offensive Transparenz
> hat sich der Senat finanzpolitisch eine komfortable Lage geschaffen
Bild: EIn Zeichen von Mangel - oder von Transparenz?
Sicher, da ist diese Zahl: 1,2 Milliarden Euro neuer Kredite, schlimm. Und
dieses Wort, Rekordverschuldung, mein gott! Man könnte die finanzpolitische
Bilanz des Senats für ein Desaster halten.
Wahr ist: Trotz halbierter Investitionsquote - also: konsequenter
No-Spaceparks-Politik - konnte Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) nur
2008 einen Überschuss im Primär-Haushalt feiern. Dann kam die
Wirtschaftskrise, kamen Steuerausfälle - und neue Kredite. Also stieg die
Schuldensumme von 14,4 auf 18 Milliarden Euro. Ein qualitativer Sprung,
glaubt man der FDP: "Rot-Grün hat den Schuldenstand ins Uferlose wachsen
lassen". Auch die CDU sagt, der Senat habe "jede Glaubwürdigkeit
verspielt". Und die hat auch eine neckische Anwendung auf ihrer Homepage
installiert, eine auf Sekundentakt gestellte Bremer Schuldenuhr. In einer
Minute wachsen, Stand gestern, die Landesschulden um 2.280 Euro an.
Aber Finanzen sind nicht gleich Finanzpolitik. Die ist ein eher
rhetorisches Feld, das bestimmt wird durch Prognosen und durch auf
stadtstaatlichem Ebene jedenfalls nicht zu steuernde Prozesse. So legt die
Werte für Haushaltsdiskussionen der Arbeitskreis Steuerschätzung fest,
dessen Voraussagen noch nie eingetreten sind. Und so hat Bremen auf die
weltweite Rezession kaum Einfluss. Es badet sie aber aus, finanziell.
Dagegen ist finanzpolitisch wichtig: Welche Begriffe man besetzt. Der von
rot-grün heißt: Transparenz. So sorgen Benchmarking-Berichte für die
Vergleichbarkeit von Ausgaben - zwischen Ländern, Stadtstaaten und Städten.
Man hat - populär - offen gelegt, was Geschäftsführer verdienen. Und
während der Vorgänger-Senat seine Finanzplanung auf angebliche Versprechen
eines staatsgeheimen Kanzlerbriefs gründete, liegen die Geschäftsgrundlagen
des jetzigen Masterplans offen. Er heißt Konsolidierungspfad. Ein
derartiges Projekt gabs noch nie. Wie Linnert betont daher auch
Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), dass dieser Weg "dornig" und mit
"Risiken" behaftet sei. Aber auch: Dass sich Bremen mit ihm nicht mehr
isoliert. Man geht ihn wenigstens als Gemeinschaft von fünf
Notlage-Ländern.
Das ist eine kaum angreifbare Position der Mitte, in der auch das Argument
Rekordverschuldung verpufft. Denn Konsolidierungspfad heißt angewandte
Grundgesetz-Schuldenbremse. Und die hat ja Rekordverschuldung 2011 zur Norm
in Deutschland gemacht: Wie im Bund, so geißeln in 14 von 16 Bundesländern
die jeweiligen Oppositionen die jeweils verantwortungslosen Regierungen
wegen der neuen Kredite. Aber weil alle bis 2020 Geld brauchen und die
Kreditaufnahme bis dahin auf Null bringen sollen wirkt die Schuldenbremse
fast überall als Schulden-Turbo.
Der ist nirgends strenger kontrolliert als in Bremen: Der
Bundesfinanzminister segnet die 1,2 Milliarden ab. Denn die stehen in der
Konsolidierungs-Vereinbarung, die am 15. April in Berlin unterzeichnet
wird. "Die klagen gegen sich selbst" hatte Klaus-Rainer Rupp (Die Linke)
die Ankündigung der Bremer CDU-Fraktion und FDP-Gruppe verspottet, gegen
den von schwarz-gelb im Bund genehmigten Landeshaushalt vor den
Staatsgerichtshof zu ziehen.
Nicht nur hier neutralisieren sich rechte und linke Opposition auf dem Feld
der Finanzpolitik: So will die CDU den Konsolidierungspfad mitgehen und
will mehr Drastik beim Sparen durch Notlagentarifverträge. Recht verdruckst
mühte sich Walter Hinners am Donnerstag in der Bürgerschaft bei der eigenen
Klientel trotzdem den Eindruck zu wecken, die Union stehe den Beamten bei.
Die protestieren, weil rot-grün ihre Bezüge mit halbjähriger Verzögerung
erhöht.
Die Linke dagegen warnt vor Sozialbankrott und, wie rot-grün, vor weiterem
Ausverkauf öffentlichen Vermögens. Sie spricht sich aber gegen die
Konsolidierung aus: Ein Ausweg aus der Schuldenfalle ist das nicht. Dafür
hat Die Linke nur den bundespolitischen Wunsch nach Steuererhöhungen im
Angebot.
8 Apr 2011
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Schuldenbremse
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