# taz.de -- Medienkongress 2011 eröffnet: Neue Medien mit alten Aufgaben | |
> Revolutionen in Arabien und Diktatur in Weißrussland. Zur Eröffnung des | |
> Medienkongresses von "taz" und "der freitag" kamen die ProtagonistInnen | |
> der Blogosphären aus diesen Ländern zu Wort. | |
Bild: Hundertfaches Interesse: Die Auftaktveranstaltung des Medienkongresses im… | |
BERLIN taz | "Das Bloggen hat mir geholfen, meine soziale Situation zu | |
verbessern. Mittlerweile werde ich auch auf der Straße von den Menschen | |
erkannt und bin dadurch besser vor der Polizei geschützt", berichtet die | |
tunesische Bloggerin Lina Ben Mhenni zur Auftaktveranstaltung des | |
Medienkongresses von taz und der freitag. Der Schutz durch die | |
Öffentlichkeit verpflichte sie aber auch, weiterhin mehr zu sagen als | |
andere. | |
Der Medienkongress steht unter dem Slogan "Die Revolution haben wir uns | |
anders vorgestellt". Aber wie dann? Lina Ben Mhenni hat deshalb am Freitag | |
mit Bloggern aus den arabischen Ländern, mit einem Aktivisten aus | |
Weißrussland und einem aus Deutschland über die Frage diskutiert, ob die | |
vielen Möglichkeiten der soziale Netzwerke im Internet und das Bloggen | |
nicht auch Gefahren für den Aufbau ziviler Gesellschaften bergen. | |
Zuvor wies der weißrussische Journalist und Blogger Evgeny Morozov auf ein | |
gefährliches Potential der neuen Medien hin: "In Zukunft werden Staaten | |
durch die Neuen Medien auch neue Instrumente der Kontrolle entwickeln." Vor | |
fünf Jahren habe der weißrussische Journalist und Medienwissenschaftler | |
noch gedacht, dass die demokratischen Bewegungen dank Twitter oder Facebook | |
einen Vorteil gegenüber autoritären Staaten hätten – aber auch die Regime | |
lernten sehr schnell, neue Formen der Überwachung, Zensur und Propaganda | |
einzusetzen. | |
Als Beispiel führte er die so genannte 50-Cent-Armee in China an, die durch | |
gezielte Bloßstellung von Bloggern oder das Anlegen von Fake-Accounts | |
Opposition im Netz mundtot machen möchte. Dabei belohne das Regime genehme | |
Kommentare in Foren und Blogs mit Geld. | |
"Wir sollten den erwirkten Wandel nicht der Technik allein zuschreiben, da | |
er ja von menschlichen Netzwerken gemacht wurde", erklärte Morozov. Es | |
komme eben auf den Menschen an, der die Technik benutze. So wie von Öl- und | |
Energieunternehmen soziale Verantwortung eingefordert werde, müssten auch | |
Internetkonzerne in die Pflicht genommen werden. Zum Beispiel mittels der | |
Durchsetzung des Rechts auf Anonymität im Netz, die Aktivisten vor Strafen | |
schützen könne. | |
Das Internet als eine Wiege für neuen staatlichen Paternalismus statt | |
Mittel zur Herausbildung einer globalen Zivilgesellschaft? Für | |
taz-Chefredakteurin Ines Pohl gibt es darauf eine klare Antwort: Durch den | |
Kongress möchte sie die Menschen "ermutigen, sich bei gesellschaftlichen | |
Fragen einzumischen". Sie wünsche sich eine Kontrolle der staatlichen | |
Institutionen und eine wache, engagierte Bürgergesellschaft. Allerdings | |
solle man sich von den technischen Innovationen nichts Falsches | |
versprechen: "Zwar sind die Medien neu, deren Aufgaben bleiben aber | |
traditionell." | |
Wer beobachten will, wie das Internet alte Verhältnisse überwindet und neue | |
Freiräume schafft, der konnte sich durch die [1][Videobotschaft der | |
kubanischen Bloggerin Yohani Sánchez] begeistern lassen, die im Auditorium | |
als Teil der Auftaktveranstaltung abgespielt wurde. Die taz-Autorin, die | |
wegen einer verweigerten Ausreisegenehmigung der kubanischen Behörden bei | |
der Diskussionsrunde fehlte, ließ es sich trotzdem nicht nehmen, die | |
Zuhörer über eine Videocam an ihrem Wirken teilhaben zu lassen: "Ich werde | |
dafür bestraft, eine eigene Meinung zu haben", begründete sie ihre | |
Abwesenheit. "In der virtuellen Welt kann ich mich endlich wie ein Bürger | |
verhalten. Wer einmal dieses Gefühl hat, der wird sich nie wieder die Maske | |
der Unterdrückung aufziehen lassen." | |
Autoren: Alexander Kohn, Philipp Möcklinghoff, Volker Haaß | |
9 Apr 2011 | |
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