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# taz.de -- Fukushima wieder einmal ohne Kühlung: 50 Minuten Zittern bei Strom…
> Bei einem Nachbeben ist in Fukushima der Strom ausgefallen - Reaktoren
> liefen ohne Kühlung. Greenpeace misst eine hohe Strahlenbelastung.
Bild: Pappwände in dieser Notunterkunft in Fukushima bieten ein bisschen Priva…
BERLIN taz | "Das Wichtigste am Standort Fukushima für die nächsten Wochen
ist und bleibt die regelmäßige Kühlung der Reaktoren", sagte am Montag der
taz ein Atomexperte, der anonym bleiben will. Er arbeitet für eine
internationale Firma, die Reaktoranlagen baut. "Zum Glück gibt es ja wieder
Strom an der Anlage, und die Pumpen sind in Betrieb."
Damit war es dann plötzlich vorbei. Denn etwa zur gleichen Zeit bebte in
Japan wieder einmal die Erde. Ein Nachbeben nah an der Atomruine von
Fukushima I erreichte die Stärke von 6,6 auf der Richterskala und
unterbrach die Stromversorgung für die Reaktorblöcke 1 bis 3.
Die Arbeiter mussten die Anlagen verlassen und in einem erdbebensicheren
Gebäude die Erdstöße abwarten. Ein Tsunami-Alarm wurde erst ausgerufen und
dann wieder zurückgenommen. Insgesamt 50 Minuten lang blieben die
Unglücksreaktoren ohne Strom und ohne Kühlung, ehe die Pumpen wieder
ansprangen.
Im Vergleich zu den sieben Stunden (Block 2 und 3) oder gar 27 Stunden
(Block 1), in denen die Reaktorblöcke nach dem Tsunami vor vier Wochen
heißgelaufen waren, seien 50 Minuten kein Grund zur Aufregung, betonte die
Betreiberfirma Tepco. Aber der Vorfall zeigt, wie anfällig die Konstruktion
zur behelfsmäßigen Kühlung der Atomanlage immer noch ist.
"Keine Schäden an der Anlage", meldete Tepco nach dem erneuten Beben.
Unabhängige Atomexperten dagegen fürchten schon seit längerem ein schweres
Nachbeben und die Folgen für Fukushima.
Die US-amerikanische Reaktoraufsichtsbehörde Nuclear Regulatory Commission
(NRC) etwa warnt in einem internen Bericht, den die New York Times vor
einigen Tagen zitierte, vor Gefahren für die Stabilität der Gebäude. Durch
das tonnenschwere Wasser, das inzwischen zur Kühlung in die Reaktoren
gepumpt wird und sich in den Kellern und unterirdischen Gängen sammelt,
würden die Gebäude so schwer, dass ihre Statik in Gefahr gerate.
## Evakuierungszone ausgeweitet
Auch außerhalb der Anlage ist von Entspannung nicht die Rede. Am Montag
gaben die Behörden dem wochenlangen Drängen von Umweltgruppen und Anwohnern
nach und weiteten die Evakuierungszone aus.
Zwar bleibt der 20-Kilometer-Radius um das AKW als Zone bestehen, in der
sich niemand länger aufhalten darf. Aber die Regierung gab gestern bekannt,
fünf weitere Orte ganz oder teilweise zu evakuieren, die auch jenseits der
20-Kilometer-Zone liegen.
Die Stadt Namie mit etwa 70.000 Einwohnern soll ebenso vollständig geräumt
werden wie die Orte Katsurao oder Iitate, wo bereits in der Vergangenheit
extrem hohe Werte gemessen wurden. Iitate liegt im Nordwesten von Fukushima
und damit direkt in der radiaoaktiven "Abgasfahne" der havarierten Meiler.
Die Städte Kawamata und Minamisoma sollen nach Auskunft der Regierung
teilweise geräumt werden - was das beim weitflächig zerstörten Minamisoma
bedeutet, blieb erst einmal unklar.
Regierungssprecher Yukio Edano betonte, die Lage am AKW habe sich nicht
verschlechtert. Kurz vor dem erneuten Nachbeben hatte er noch erklärt, die
Lage dort habe sich stabilisiert. Dennoch sollten die Menschen ihre Häuser
verlassen, weil "in diesen Regionen die Strahlung bis zu 20 Millisievert im
Jahr betragen könnte", erklärte Edano. Nach deutschem Recht entspricht das
der Dosis, die ein Arbeiter in einem AKW in einem Jahr aufnehmen darf.
## 2,8 bis 4 Mikrosievert pro Stunde
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die mit eigenen Experten und
Strahlenmessteams vor Ort ist, begrüßte die weiteren Evakuierungspläne. Sie
seien "das Mindeste", was die Regierung tun könne, aber auch in den Städten
Fukushima und Koriyama seien die Belastungen relativ hoch. Dort hatten die
Umweltschützer Werte von 2,8 bis 4 Mikrosievert pro Stunde gemessen.
Aus einer Analyse der Bodenproben durch die Kyotoer Universität gehe
hervor, dass es sich bei der Belastung vor allem um Cäsium-Isotope handle,
die eine Halbwertzeit von 30 Jahren haben. "Die Kontamination ist so hoch,
dass die maximal tolerierbare jährliche Dosis für die Bevölkerung bereits
nach wenigen Wochen aufgenommen würde", heißt es.
Die Umweltschützer verwiesen angesichts der zu erwartenden möglichen
Belastung von 20 Millisievert pro Jahr auf Tschernobyl: "Dort hat man
Gebiete geräumt, in denen die Strahlung oberhalb von 5 Millisievert pro
Jahr lag", sagte Rianne Teule, Strahlenexperte in Tokio.
11 Apr 2011
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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