| # taz.de -- Flattr auf der Re:publica: Peter Sunde auf Marketing-Tour | |
| > Flattr will große Websites motivieren, ihre Buttons automatisch | |
| > einzubinden. Noch immer fehlt dem Mikro-Bezahldienst für soziale Zwecke | |
| > die kritische Masse. | |
| Bild: Kann Flattr auch nicht erklären: Der "verrückte Schwede", dessen Video … | |
| BERLIN taz | Er ist sowas wie ein Pop-Star hier auf der Bloggerkonferenz | |
| Re:publica in Berlin. Groß schon der Applaus, als er auftritt. Peter Sunde | |
| steht auf der Bühne des Friedrichstadt-Palasts, im Kaputzenpulli, barfuß | |
| und fotografiert als erstes das Publikum, damit, so sagt er, nicht immer | |
| nur die Referenten fotografiert würden. | |
| Sunde, der stets freundlich abstreitet, sich um Marketing zu bemühen, ja | |
| überhaupt um ein Geschäft, ("we do no business") ist hier, um von Flattr zu | |
| berichten, der Plattform, die der begabte Entwickler mitgegründet hat. | |
| Flattr ist ein Tool, mit der sich die Mitglieder der Plattform gegenseitig | |
| einfach und günstig gegenseitig kleine Beträge zahlen bzw. spenden können – | |
| mit sehr niedrigen Transaktionskosten. Auch taz.de verwendet deshalb Flattr | |
| im Rahmen seiner [1][taz-zahl-ich-Kampagne]. | |
| Natürlich ist Sundes Geste, das Publikum als erstes zu fotografieren, Teil | |
| seines Marketings in eigener Person. Aber nicht nur: Es ist in gewisser | |
| Weise auch schon die Erklärung einer Eigenschaft von Flattr. Denn bei | |
| Flattr ist jeder Anbieter und Konsument zugleich. Wer einen Account hat, | |
| der kann Content mit einem Button versehen, dass jeder ihn freiwillig | |
| bezahlen, beziehungsweise unterstützen kann ("support"), wie Sunde das | |
| formuliert. (So ein Knopf findet sich auch unter diesem Artikel hier.) Und | |
| gleichzeitig kann er mit demselben Account jeden anderen unterstützen, der | |
| so einen Flattr-Button auf seiner Website hat. Genau wie Sunde: Er wird | |
| fotografiert – und fotografiert zurück. | |
| ## Es hinkt noch etwas | |
| Lässig steigt Sunde in seinen Vortrag ein, er sei froh, dass sein Vorredner | |
| überzogen habe, denn er habe "nicht so viel zu sagen". Er steht hier, um | |
| ein Jahr nach dem Start von Flattr zu erklären, wo Flattr nun steht. Und da | |
| hinkt es noch etwas hinter den Hoffnungen zurück. Auch auf taz.de | |
| stagnierte der Umsatz mit Flattr seit mehr als einem halben Jahr. | |
| Konsequenterweise zeigt Peter Sunde auch keine einzige Folie zu Umsätzen | |
| oder Verbreitung von Flattr. | |
| Doch was ist der Grund für die langsame Verbreitung des Flattr-Tools? Für | |
| Sunde ist das größte Problem, dass nicht alle das Micropayment-Tool | |
| verstünden. Er zeigt deshalb nicht nur das [2][firmeneigene Erklärvideo], | |
| sondern noch eines, in dem "the crazy swedish guy" [3][in einem | |
| Youtube-Video] versucht zu erklären, wie Flattr funktioniert. "Ich glaube, | |
| es ist ganz schön cool, denn es ist nicht von der Filmindustrie oder der | |
| Musikindustrie, es ist von uns gemacht", erzählt der Videoblogger. Und | |
| stottert ansonsten bloß herum. | |
| Sicher, das Video ist eine Persiflage, aber es bringt eines der Probleme | |
| auf den Punkt: Dass viele nicht wissen, was Flattr ist, wer dahinter | |
| steckt. Und dass man das bei einem Unternehmen, das sich nicht wie eine | |
| Bank aufführt, technisch aber eine ist, doch sehr gerne wissen würde. | |
| Schließlich ist es ein großer Schritt, jemandem sein Geld anzuvertrauen. | |
| Für Sunde aber ist das Problem kleiner. Er erklärt, es gehe bloß darum, | |
| dass die Leute das Prinzip nicht verstünden. Die Leute würden denken: "Es | |
| ist irgendwie cool, aber ich kapier es nicht." Sein Fazit: "Wir haben | |
| gelernt, dass wir ein Kommunikationsproblem haben." Das könnte auch jemand | |
| von der Deutschen Bank, von BP oder Google gesagt haben. | |
| Zu dem möglicherweise mangelnden Vertrauen kommt ein anderes Problem von | |
| Flattr: Offenbar sind noch nicht so viele Leute zu dem Entschluss gekommen, | |
| dass es hilfreich für sie ist. Und dafür braucht es Methoden, stärker auf | |
| sich aufmerksam zu machen. | |
| ## Fremden Content mit Buttons versehen | |
| Mit einer will Flattr nun herauskommen, das so genannte | |
| [4]["Revenue-Share"-Modell]: Flattr will ab 1. Mai allen Flattr-Usern | |
| anbieten, auch fremden Content auf ihren Plattformen mit Flattr-Buttons zu | |
| versehen. Ein Blogger könnte zum Beispiel die Kommentare unter seinen | |
| Einträgen mit solchen Flattr-Button versehen. Blog-Hoster wie Blogspot oder | |
| Wordpress zum Beispiel könnten den Blogs Ihrer Kunden prophylaktisch solche | |
| Flattr-Buttons verpassen. | |
| Die Idee: Wenn einer plötzlich sieht, dass auf seinem Content ein | |
| Flattr-Button steht und dass fremde Leute ihm Geld spenden, obwohl er gar | |
| nicht darum gebeten hatte, dann eröffnet er vielleicht ein Flattr-Konto, um | |
| das Geld abzuheben. Und wird so zum ordentlichen und aktiven Mitglied der | |
| Flattr-Community. | |
| Wer die Flattr-Buttons auf diese Weise über fremden Content streut, soll | |
| dafür belohnt werden. Er bekommt einen Anteil der Gebühr, die Flattr | |
| bislang für jede Überweisung verlangt, nämlich zehn Prozent. | |
| Nun muss man wirklich viel Content haben, der einem nicht gehört, um von | |
| der zehn-Prozent-Regel zu profitieren. Nehmen wir an, Flattr gäbe 1 | |
| Prozentpunkt ab, dann kommt dabei nicht allzuviel rum. Zur Orientierung: | |
| Auf taz.de gehen derzeit über Flattr rund 1.300 Euro im Monat ein. | |
| Ganz anders wäre das natürlich, wenn Wordpress jeden Blog-User mit einem | |
| Flattr-Button versähe. Oder Websites vom Schlage von Youtube, Flickr oder | |
| Wikipedia die Accounts ihrer Kunden damit verzierten. Wenn nur eine von | |
| diesen auf dieses "Revenue-Share"-Modell einsteigen würde, könnte Flattr | |
| schnell die kritische Masse durchbrechen. | |
| Denn selbst in Deutschland, wo viele wichtige Blogger, der Freitag und auch | |
| die taz Flattr nutzen, ist das Tool noch nicht wirklich allgemein bekannt. | |
| In anderen Ländern ist die Lage noch deutlich schlechter. | |
| ## Noch nicht alle Fragen sind geklärt | |
| Aber beim Revenue-Share gibt es zwei Probleme. Erstens könnte es die | |
| Flattr-User verunsichern, wenn sie nicht mehr sicher sein können, ob das | |
| Geld, was sie vergeben, überhaupt angenommen wird. | |
| Zweitens stellt sich die Frage, was geschieht, wenn Geld an Leute gespendet | |
| wird, die sich trotzdem nicht entschließen mitzumachen. Was passiert dann | |
| mit dem gespendeten Geld? Nach Sundes Auskunft soll das Geld dann "nach | |
| einem Monat oder so" auf die Konten der Spender zurückgebucht werden. | |
| Genaueres könne er noch nicht sagen. "Wir experimentieren." | |
| Genau diese Haltung, die aus der Gründungsidee von Flattr herrührt, könnte | |
| einmal zum Problem werden. Denn eine Bank, auch eine, die nur für soziale | |
| Zwecke Kleinstbeträge verwaltet, benötigt vor allem Vertrauen. Da sollte | |
| man sich mit dem Experiment etwas zurückhalten. | |
| Das Vertrauen beruht zu einem großen Teil auf Peter Sundes Reputation. Der | |
| hat sich inzwischen aus dem operativen Geschäft [5][von Flattr | |
| zurückgezogen]. CEO ist seit Oktober 2010 Mitgründer Linus Olsson. | |
| Sunde ist nur noch im Beratungsgremium, aber natürlich so etwas wie der | |
| Außenminister von Flattr. Und sein Mantra "Wir machen kein Marketing, wir | |
| sind Techniker", lässt sich längst nicht mehr aufrecht erhalten. Denn, wie | |
| er auf Nachfrage einräumt, habe man bei Flattr gerade die erste | |
| Marketing-Stelle besetzt. Und vor allem: Was ist das "Revenue-share-Modell" | |
| anderes als reines Marketing? | |
| Flattr erklärt glaubhaft, keine rein kommerziellen Interessen zu haben, | |
| sondern bloß ein gutes Tool anbieten zu wollen. Eine Garantie dafür gibt es | |
| aber nicht. | |
| Es ist zwar nur ein Scherz, wenn Peter Sunde am Schluss sagt: "Erst wenn | |
| alles Geld der Erde über Flattr geht, dann sind wir glücklich." Doch es | |
| gilt noch immer, was Sunde am Anfang seines Vortrages über die Philiosphie | |
| von Flattr gesagt hatte: Man habe den "Mittelsmann" entfernen wollen. | |
| Sprich: die Kulturindustrie. Denn mit Flattr können Anbieter und | |
| Konsumenten direkt verhandeln. Und das meint Sunde bierernst. | |
| 14 Apr 2011 | |
| ## LINKS | |
| [1] /tazzahlich | |
| [2] http://www.youtube.com/watch?v=kwvExIWf_Uc | |
| [3] http://www.youtube.com/watch?v=8ptS8OwfVeE | |
| [4] http://blog.flattr.net/2011/04/flattr-reloads-the-cannons/ | |
| [5] http://blog.flattr.net/2010/10/flattr-re-arranges-board-and-stuff/ | |
| ## AUTOREN | |
| Matthias Urbach | |
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