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# taz.de -- Streit um Forschungsreaktor Jülich: Atomkugeln belasten die Wissen…
> Gefährliche Kugelhaufen: Trotz Störfällen halten Forscher an der Technik
> im Atomreaktor Jülich fest. Grüne und SPD in Nordrhein-Westfalen wollen
> eine Untersuchung.
Bild: Wieviele Störfälle gab es tatsächlich? Der Betrieb des abgeschalteten …
BOCHUM taz | Die Serie von Beinahe-Katastrophen im Reaktor des
Forschungszentrums Jülich soll von unabhängigen Experten untersucht werden.
Das fordern SPD und Grüne im nordrhein-westfälischen Landtag. Am Freitag
bringen sie den Antrag in das Düsseldorfer Parlament ein.
"Der Reaktor ist über Jahre im Ausnahmezustand gefahren worden", erklärt
der Atomkritiker Rainer Moormann, der selbst im Institut für
Sicherheitsforschung des Forschungszentrums gearbeitet hat. In der Ölkrise
der 1970er Jahre sei der Meiler zum Beispiel mit zu hohen Temperaturen
betrieben worden, um zu erforschen, ob er zur Benzingewinnung aus Kohle
taugt. Beschädigungen der Reaktorhülle durch Explosionen seien ebenso
möglich gewesen wie "unkontrollierte Kettenreaktionen".
Seit Kurzem sorgen angeblich verschwundene Brennelemente-Kugeln des
Reaktors für Aufregung: NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze und
Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (beide SPD) klagen, der Verbleib von
2.285 radioaktiven Brennelementen sei nicht nachvollziehbar. Zwar
versichert das Forschungszentrum, radioaktives Material habe das Gelände
nie verlassen. Doch wo genau der strahlende Stoff lagert, untersucht das
für die Atomaufsicht zuständige NRW-Wirtschaftsministerium noch immer: "Ein
genauer Bericht soll bis Ostern vorliegen", heißt es in Düsseldorf.
Dabei ist die Technik des Forschungsmeilers selbst der wichtigste Grund für
Unsicherheit: In Jülich steht ein Hochtemperatur-Kugelhaufenreaktor, dessen
Brennelemente nicht die übliche Stabform haben. Es sind mit Graphit
ummantelte Kugeln. Das Kugelhaufen-Prinzip hat eine prinzipielle
Sicherheitslücke: Beim Einfahren der Steuerstäbe werden manche der runden
Brennelemente zerstört, sodass die Kühlung verstopfen kann. Der Atomexperte
der Grünen im Landtag, Hans-Christian Markert, nennt den Meiler
"Zuhochtemperaturkugelbruchreaktor".
Die Jülicher Forscher haben die Zahl der zerstörten Brennelemente wie ein
Staatsgeheimnis gehütet. Gegenüber der NRW-Regierung hat das
Forschungszentrum nach taz-Informationen nun erstmals eingeräumt, dass beim
Betrieb 359 Brennelemente zerstört worden seien - 60 Prozent mehr als
bisher zugegeben.
Für die Wissenschaftler ist diese Sicherheitslücke existenziell: Auch wenn
der Betrieb in Jülich vor Jahren eingestellt wurde, träumen die Forscher
vom weltweiten Erfolg ihrer Erfindung. In China sind zwei
Kugelhaufenreaktoren im Bau. Außerdem soll Polen überzeugt werden.
Mittelständler wie die Firma Nukem wollen die Technologie der
Hochtemperatur-Brennelemente ebenso verkaufen wie der Grafit-Lieferant SGL
Carbon. Und der Krefelder Castor-Hersteller Siempelkamp will die
Hochtemperatur-Reaktorbehälter liefern.
Bis im letzten Jahr Rot-Grün die NRW-Regierung übernommen hat, konnten die
Jülicher beste Kontakte zur schwarz-gelben Landesregierung nutzen:
Ex-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) warb wie der ehemalige
FDP-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart für die Hochtemperatur-Technik.
Komplette Vorlagen für Thobens Ministerium sollen im Forschungszentrum
entstanden sein. Nach taz-Informationen arbeitet noch heute der Sohn eines
führenden Jülicher Forschers im NRW-Wissenschaftsministerium - in der
Atomaufsicht.
14 Apr 2011
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Forschungszentrum Jülich
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
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