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# taz.de -- Berliner Einheitsdenkmal: Alessi für alle
> Der Entwurf eines Berliner Einheitsdenkmals von Johannes Milla und Sasha
> Waltz hat viel Gutes, gerade weil er etwas Banales hat und auf Pathos
> verzichtet.
Bild: One size fits all: Das Coffee-Table-Monument, der überdimensionierte his…
Schöner Wohnen. Zugegeben, das Einheitsdenkmal, das Kulturstaatsminister
Bernd Neumann nach einem zähen, ästhetisch dürftigen Wettbewerb nun
durchgesetzt hat, sieht verdächtig danach aus, als hätte er es bei einem
Versandhaus für edles Interieur bestellt. Mehr Design als wahrhaft
verstörende Kunst: eine Art gehobenes Ausstattungsstück, ganz nah am
Coffee-Table-Monument, ein überdimensionierter historischer Handschmeichler
sozusagen. Doch wer jetzt beobachtet, wie sich in der Debatte über das
neueste deutsche Identitätsmöbel ein Bedürfnis nach Pathos, Sinnstiftung
und Zentralität Bahn bricht, ist schon fast wieder fast erleichtert, dass
es auf eine Art Alessi für alle hinausläuft.
Es ist schon seltsam, was für ein widersprüchlicher Umgang mit dem
Populären sich in dem anschwellenden Streit über die Denkmalschale zeigt.
Alle hofieren die Popkultur. Doch dieselben Medien, die gar nicht schnell
genug in dieses Lager umschwenken konnten, gebärden sich jetzt als
symbolpolitische Gralshüter. Wenn es darum geht, das Fernsehen, langweilige
Museen und die junge deutsche Literatur aufzumischen, ist Pop okay. Doch
wenn die heilige deutsche Geschichte christlich-jüdisch-abendländischer
Nation samt "friedlicher Revolution in der DDR" ins Spiel kommt, soll er
plötzlich nicht mehr als Ausdrucksmodus taugen. Dabei ist auch angewandte
Kunst Kunst. Muss es denn immer Marmor sein? Vielleicht hätte man von
Anfang an Jeff Koons fragen sollen, ob er noch einen aufblasbaren deutschen
Michel in Pink im Angebot hat.
Im Ernst: Der zeitgenössische Deutsche multikultureller Prägung dürfte ein
ebenso großes Bedürfnis nach einem allgemeingültigen Nationalzeichen haben
wie nach den Einheitssocken aus dem Drogeriediscounter: One size fits all.
Es ist gerade der Verzicht auf fragwürdige Nationalsymbolik oder
irgendwelche dräuenden Geschichtsmythen, der den Entwurf plausibel macht.
Man mag das als wohlfeile Kompensation dafür kritisieren, dass
Partizipation andernorts verwehrt wird. Aber vor dem Denkmal von Milla und
Waltz soll wenigstens niemand strammstehen, sondern darf sich als Beweger
der Geschichte inszenieren.
## Nur die "Tatort"-Leidenschaft vereint
Wenn sich die Deutschen symbolisch noch über einen Leisten scheren lassen,
dann höchstens über den, dass sie inzwischen so unterschiedlich sind, dass
- vom Steuerzahlen und der "Tatort"-Leidenschaft abgesehen - einheitliche
Identitätsmerkmale nur noch schwer auszumachen sind. Das Banale, das der
Schale eignet, böte zudem die Chance, einen symbolisch aufgeladenen Ort auf
das herunterzubeamen, was er in Wahrheit ist: ein markanter Schauplatz
deutscher Geschichte, aber doch nur einer unter vielen. In Bayern, im
Saarland oder in Mecklenburg-Vorpommern käme kein Hartz-IV-Empfänger auf
die Idee, ehrfürchtig an den Berliner Schlossplatz zu denken, wenn er sich
vorzustellen versucht, was das sein könnte, die deutsche Einheit.
Worüber sich am ehesten streiten ließe, ist der Platz für das schwungvolle
Schmuckstück. Wem es um sinnfällige historische Bezüge gehen soll, hätte
der Alexanderplatz nähergelegen. Aber dass an der Stelle, wo in Kürze ein
Klon der alten Hohenzollern-Zwingburg aufragen soll, "das Volk" so
demonstrativ seinen Platz erhält, ist symbolpolitisch nicht die
schlechteste Lösung. Am schönsten wäre es natürlich, wenn die Macher und
Auslober die alberne Aufschrift: "Wir sind das Volk, wir sind ein Volk"
wegließen. Die Pathosformel steht eh schon in allen Geschichtsbüchern und
passt nicht zu der Volksschaukel mit kleinen Schönheitsfehlern: Bei
körperlich Herausgeforderten mutiert zur Exklusion, was als Inklusion
gedacht war. Doch wenn die Schaukel voll von Menschen ist und zu wippen
beginnt, wird der ganze wuselige Flickenteppich sichtbar, der sonst nur
abstrakt oder in Stein beschworen wird: das Volk, die Wiege der Demokratie.
15 Apr 2011
## AUTOREN
Ingo Arend
Ingo Arend
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Einheitsdenkmal
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