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# taz.de -- Schiefergas gegen erneuerbare Energien: Angriff der Gasriesen
> Schiefergas-Befürworter zitieren gern eine bestimmte Studie. Pech für die
> Gasmultis: Autoren der ursprünglichen Studie haben sich gemeldet - und
> beschweren sich. Gas als Klimakiller.
Bild: Hier geht es tausende Meter in die Tiefe; Szene aus dem Film "Gasland".
BERLIN taz | Seit Monaten klappern Lobbyisten großer Energiefirmen die
zuständigen Behörden in Europa, den USA und anderen Erdteilen ab. Sie
versuchen die dortigen Beamten zu überzeugen, dass erneuerbare Energien zum
Erreichen der Klimaziele zu teuer sind und haben auch gleich eine billigere
Alternative parat: Gas, vor allem Schiefergas.
Schiefergas wird aus tiefliegendem Gestein gewonnen, oft aus Tonschiefer,
daher der Name. In dessen Schichten ist das Erdgas nicht wie bei
herkömmlichen Lagerstätten in großen Blasen gespeichert, die man dann
einfach anbohren kann. Vielmehr ist es mehr oder weniger gleichmäßig im
Gestein selbst festgehalten. Durch neue Bohrtechniken kann in tausenden
Metern Tiefe horizontal gebohrt werden. Dann wird unter hohem Druck ein
Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien ins Gestein gepresst. Das erzeugt
Risse, aus denen das Gas dann an die Erdoberfläche steigt.
Diese Technik ist teurer als die herkömmliche Gasförderung. Allerdings ist
das Gas viel gleichmäßiger über die Staaten verteilt. So sind zum Beispiel
die USA durch Schiefergas in den vergangenen zehn Jahren vom Importeur zum
Exporteur von Gas geworden. Auch in Deutschland wird derzeit nach
abbauwürdigen Vorkommen gesucht.
Zentral für die Argumentation der Gasmultis ist eine Studie für das Gebiet
der EU. In dieser Studie heißt es, die EU-Klimaziele bis 2050 - 80 bis 95
Prozent weniger Ausstoß von Treibhausgasen - könnten mit Schiefergas ebenso
erreicht werden. Die EU-Kommission schätzt bisher, dass der Umbau zu einer
kohlendisoxidarmen Wirtschaft etwa 270 Milliarden pro Jahr kosten wird. Und
die Gaslösung wäre bis dahin um satte 990 Milliarden Euro billiger.
Klingt verlockend. Pech für die Gasmultis, dass sich die Autoren einer
ursprünglichen Studie gemeldet haben, auf die der von den Gasriesen
zitierte Bericht aufbaut. Die Spezialisten beschweren sich, wie der
britische Guardian meldet. Die jetzige Studie heißt [1]["making the green
journey work"] (etwa "wie die grüne Reise funktionieren kann"). Sie ist vom
Gasforum EGAF in Auftrag gegeben, einer Vereinigung der Gasfreunde.
## Vorwurf: Studie verdreht Grundannahmen
Sie baut jedoch auf einem [2][Report] der European Climate Foundation auf.
Diese arbeitet mit Stiftungsgeldern. Die Klimastiftung wirft der
EGAF-Studie vor, sie würde ihre Grundannahmen zu Gunsten des Schiefergases
verdrehen. Europa würde bei einem Durchmarsch des Erdgases darüber hinaus
zu sehr von den stark schwankenden Gaspreisen abhängig.
Am Mittwoch veranstaltete der Präsident des EU-Parlaments ein Essen mit den
Gaslobbyisten, zugegen war auch EU-Energiekommissar Günther Öttinger, so
der Guardian. Öttinger spricht sich prinzipiell für Gas aus, weil
Gaskraftwerke schnell die Schwankungen von Erneuerbarenenergien ausgleichen
können.
## Hat Schiefergas höhere Treibhausgasemissionen als Kohle?
Erdgas im Allgemeinen ist jedoch zunehmend umstritten. Eine [3][aktuelle
Studie] der Cornell-Universität (New York) fasst die Forschung zusammen.
Demnach wäre Erdgas mit ähnlich hohen Treibhausgasemissionen verbunden wie
Kohle - wenn nicht gar höheren. Die EGAF-Studie hingegen geht zum Beispiel
nur von der Hälfte an Emissionen aus, wenn Strom durch Gas statt durch
Steinkohle erzeugt wird.
Die Krux liegt laut den Cornell-Umweltforschern beim Methangas, das bei der
Förderung in die Luft verschwindet. Methan macht den Hauptanteil von Erdgas
aus. 3,6 bis 7,9 Prozent davon verschwinden demnach bei der
Schiefergasförderung in der Atmosphäre, mindestens 30 Prozent mehr als bei
konventioneller Gasförderung. Auch bei der konventionellen Gasförderung
wurde dieser Effekt bisher zu wenig beachtet.
## Die Klimabilanz verschlechtert sich enorm
Dadurch verschlechtert sich die Klimabilanz von Erdgas enorm: Methan trägt
25-mal stärker zum Treibhausefekt bei als das bei der Gasverbrennung
erzeugte Kohlendioxid. Wenn Methan an den Gasquellen unverbrannt in die
Luft gelangt, wirkt es also 25-mal stärker. Die Cornell-Forscher um Robert
Howarth sehen daher keinen Vorteil von Schiefergas gegenüber Kohle - selbst
wenn ein guter Teil des Methans an der Quelle doch aufgefangen wird.
Konventionelles Erdgas ist dabei kaum besser.
Schiefergas birgt noch weitere Umweltprobleme: Pro Bohrung werden einige
hunderttausend Liter teilweise giftiger Chemikalien in die Tiefe gepresst.
Es muss langfristig sichergestellt werden, dass diese nicht in die
Grundwasser führenden Schichten gelangen, die mit der Bohrung durchstoßen
werden. Außerdem kommt es bei den Bohrtürmen ab und zu zu Unfällen.
Trinkwasser wurde teilweise erheblich verseucht. Darüber gibt es
[4][Recherchen] der US-Journalismusstiftung Pro Publica. Furore macht in
den USA, Großbritannien und Frankreich auch der Film [5]["Gasland"].
Besonders die Szene, in denen Anwohner eines Schiefergas-Projekts ihr
Wasser entzünden können - weil der Methananteil im Trinkwasser so hoch ist.
21 Apr 2011
## LINKS
[1] http://www.qp.com.qa/Files/press
[2] http://roadmap2050.eu/downloads
[3] http://www.eeb.cornell.edu/howarth/Howarth%20et%20al%20%202011.pdf
[4] http://www.propublica.org/special/hydraulic-fracturing-national
[5] http://www.gaslandthemovie.com/
## AUTOREN
Reiner Metzger
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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