# taz.de -- Landwirtschaft in Uganda: Gift oder Knast | |
> Biobauer Bosco Acope war erfolgreicher Landwirt - bis seine Hütte mit dem | |
> Insektizid DDT besprüht wurde. Jetzt kann er seine Baumwolle nicht mehr | |
> verkaufen. | |
Bild: Einst ein erfolgreicher Biobauer: Bosco Acope. | |
LIRA taz | Bosco Acope kann sich noch heute genau an den Morgen vor drei | |
Jahren erinnern, als die Männer mit Mundschutz und Gasflaschen auf dem | |
Rücken auf seinen Hof marschiert kamen. Es war früh, die grelle | |
Äquatorsonne gerade erst aufgegangen. An diesem Tag änderte sich alles für | |
den Farmer, der mit den Früchten seiner Arbeit bis dahin seine Großfamilie | |
problemlos ernähren konnte. Die Sonne stand noch nicht im Zenit, da war | |
Boscos berufliche Existenz zerstört. | |
"Man hat mir vorher nichts gesagt", klagt der 48-jährige Ugander, der auf | |
einem blauen Plastikstuhl im Schatten eines jungen Mangobaums sitzt. "Die | |
Leute kamen einfach, besprühten mit ihren Maschinen die Wände meiner Hütte | |
und dann zogen sie weiter." Was die jungen Männer sprühten, war ein | |
Insektizid, das in Europa längst verboten ist: DDT. In Afrika wird es bis | |
heute zur Bekämpfung von Malaria eingesetzt. "Ich habe versucht, sie | |
aufzuhalten", sagt Acope. "Aber sie haben mir gedroht, wenn ich mich dem | |
Programm der Regierung widersetze, dann muss ich ins Gefängnis." | |
Bosco Acope ist ein einfacher Mann. Vor und nach dem Volksschulunterricht | |
musste er arbeiten, um die Familie der Eltern über Wasser zu halten. Als er | |
14 Jahre alt war, fing er an, auf der Farm zu arbeiten, die im | |
Apac-Distrikt im Norden Ugandas liegt und die er nach dem Tod seiner Eltern | |
übernahm. Er heiratete und hat heute elf Kinder. | |
## DDT machte die Ernte unverkäuflich | |
Doch trotz der bescheidenen Anfänge machte Acope sein Glück als Biobauer. | |
"Ich habe organische Baumwolle und Biosesam angebaut und verkauft, dadurch | |
habe ich meinen Gewinn um mindestens die Hälfte gesteigert." So viel Geld | |
machte Acope, dass er seine Farm stetig vergrößern und alle seine Kinder | |
zur Schule schicken konnte. "Jetzt musste ich drei meiner Kinder von der | |
Schule nehmen, weil ich mir die Gebühren nicht mehr leisten kann." | |
Denn mit dem DDT wurde Acopes Ernte über Nacht unverkäuflich. "Wir mussten | |
befürchten, dass das DDT Spuren hinterlässt", begründet das Alex Fokkens, | |
dessen Firma Shares die Ernte ugandischer Biobauern nach Europa exportiert. | |
"Wenn das passiert wäre, hätten wir dichtmachen können." Zwar wurde das DDT | |
nur in den Häusern gesprüht, aber dort, sagt Fokkens, lagern die Bauern die | |
Vorräte, bevor sie sie verkaufen. Er zog die Notbremse. Nach vierzehn | |
Jahren in der Region stellte Shares die Geschäftsbeziehungen zu 16.000 | |
Farmern ein. Bis heute versteht Fokkens nicht, warum die Regierung trotz | |
der Warnungen von ihm und anderen Exporteuren darauf bestand, DDT | |
einzusetzen. "Es ist gut, dass die Regierung etwas gegen die Malaria | |
unternimmt, aber sie hätten doch andere Methoden nutzen können." | |
Biologische Landwirtschaft ist in Uganda längst keine Nische mehr. Kein | |
anderer afrikanischer Staat bewirtschaftet mehr Land nach ökologischen | |
Kriterien. 2008 wurden fast 300.000 Hektar biologisch bewirtschaftet, über | |
die Hälfte mehr als noch 2004, so eine Studie des UN-Umweltprogramms UNEP. | |
Mehr als 200.000 Biobauern erwirtschafteten 2008 Exporterlöse von 15,8 | |
Millionen Euro - gegenüber 2004 ein Plus von 300 Prozent. Dann begann die | |
ugandische Regierung mit dem Einsatz von DDT - ausgerechnet in den beiden | |
Distrikten Oyam und Apac, wo biologische Landwirtschaft besonders weit | |
verbreitet war. Für viele Biobauern eine Provokation - denn die Regierung | |
selbst propagiert konventionelle Landwirtschaft. | |
## Trügerische Sicherheit | |
Befürworter wie Richard Ocan Onen verteidigen den DDT-Einsatz. Ocan ist der | |
Koordinator der Sprüheinsätze, die eine private Firma im Auftrag des | |
ugandischen Gesundheitsministeriums und der US-Regierung unternimmt. Er | |
verweist darauf, dass nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO | |
jährlich etwa jeder dritte Ugander an Malaria erkrankt. Vor allem Kinder | |
und schwangere Frauen sterben daran, 6.296 Opfer zählte die WHO 2009. | |
Malaria, sagt Ocan, lasse sich nur mit Hilfe der Chemie besiegen. "Das | |
Sprühen in den Häusern ist wie ein großes Netz - auch wenn du kein | |
Moskitonetz über deinem Bett hast, kannst du sicher in deinem Haus schlafen | |
und dich dort bewegen." | |
DDT und andere Insektizide, die in den Häusern gesprüht werden, | |
funktionieren alle nach demselben System: Moskitos, die sich auf die Wände | |
setzen, werden vergiftet und sterben, bevor sie die Malaria übertragen | |
können. "Wir gehen in die Häuser, sprühen und der Schutz hält lange an, im | |
Fall von DDT neun Monate", erläutert Ocan. | |
Doch die Langlebigkeit ist zugleich der größte Nachteil von DDT. Noch nach | |
Jahrzehnten lässt sich der hochgiftige Stoff in der Umwelt nachweisen, der | |
einer neuen Studie der WHO zufolge in dem Verdacht steht, Krebs zu erregen | |
und das Erbgut zu schädigen. Als Insektizid wurde DDT nicht zuletzt deshalb | |
verboten, weil es nicht nur Schädlinge, sondern praktisch alle Insekten | |
sowie Fische, Vögel und kleine Säugetiere schädigt. Die zuständige | |
UN-Stockholm-Konvention hat DDT als "persistenten organischen Schadstoff" | |
verboten - einzige Ausnahme: das Sprühen in Häusern gegen die Malaria. Auch | |
manche WHO-Experten behaupten, dass DDT dort nicht ersetzbar sei. Das | |
Hauptargument jedoch gibt der Ugander Ocan in einem Satz wieder: "DDT ist | |
billig." | |
Bis zu dreißig Mal so teuer seien die Alternativen, poltert Myers Lugemwa, | |
der in Ugandas Gesundheitsministerium für die Malaria-Bekämpfung zuständig | |
ist. "Wir müssen sehen, was uns hilft, und nicht der Demagogie der | |
DDT-Gegner Glauben schenken." Durch das Sprühen von DDT sei die Zahl der | |
Malariaerkrankungen in Oyam und Apac um 40 bis 50 Prozent gesunken, | |
behauptet Lugemwa. Und auch die Proteste der Biobauern lässt er nicht | |
gelten. "Der Ertrag von konventionell bewirtschafteten Farmen ist | |
anderthalb Mal höher als auf biologischen Farmen. Wenn ich Bauer wäre, | |
würde ich meine Pflanzen spritzen und mehr Geld verdienen als vorher." Das | |
verkennt nicht nur, dass den meisten ugandischen Bauern das Geld für | |
Pestizide und behandeltes Saatgut fehlt. Es scheint zudem die Befürchtungen | |
der Biobauern zu bestätigen, dass sie nicht zufällig für die Sprühaktion | |
ausgesucht wurden. | |
## Wirksamkeit umstritten | |
Die Wirksamkeit von DDT ist umstritten, bestenfalls. Der Arzt Kale Dixon | |
etwa, der seit 2007 als leitender Arzt in einer Gesundheitsstation im | |
Apac-Distrikt arbeitet, schüttelt den Kopf. Mehr als 200 Patienten | |
monatlich behandelt er in der Trockenzeit wegen Malaria, in der Regenzeit | |
sind es manchmal mehr als 900. Die Zahlen der Erkrankten, die er jeden | |
Monat auf ein Balkendiagramm einträgt, das an der Wand hängt, hätten sich | |
nach dem DDT-Einsatz nicht verändert. "Wir haben keinen Effekt beobachtet, | |
die Zahl der Malaria-Erkrankungen blieb gleich hoch." | |
Der Mediziner macht dafür Resistenzen verantwortlich. Die meisten Moskitos | |
seien gegen DDT immun. Diese Resistenzen bestätigt auch Myers Lugemwa aus | |
dem Gesundheitsministerium und nennt sie als einzigen Grund, warum DDT bis | |
auf Weiteres in Uganda nicht versprüht wird. | |
Ein weiterer Grund dürfte aber auch die Klage gegen die Regierung sein, die | |
Biodachverbände im Herbst 2008 eingereicht haben. Ein Gericht erließ | |
zunächst ein vorläufiges DDT-Verbot, bis die Klage dann aus formalen | |
Gründen doch abgewiesen wurde. Die Verhandlung in einer anderen, noch | |
anhängigen Verfassungsklage aber wird seit mehr als zwei Jahren immer | |
wieder verschoben. Sie hat aber keine aufschiebende Wirkung. Lugemwa | |
bereitet deshalb schon neue DDT-Einsätze vor. "Wenn die Moskitos keine | |
Resistenzen mehr zeigen, setzen wir DDT sofort wieder ein." Dann könnten | |
auch die letzten Höfe besprüht werden, aus denen Shares heute noch | |
Bioprodukte nach Europa exportiert. Nicht nur Alex Fokkens, auch die 11.000 | |
Farmer würden ihren Job verlieren. | |
## Es gibt Alternativen | |
Dabei gibt es Alternativen. Michael Brander von der Schweizer Stiftung | |
Biovision, die Biobauern in mehreren afrikanischen Ländern unterstützt, | |
wirbt dafür, bei den Brutstätten der Mücken anzusetzen: Pfützen und | |
stehende Gewässer könnten entweder trockengelegt oder mit Bakterien | |
behandelt werden, die die Moskitos schon im Larvenstadium töten. | |
"Grundsätzlich geht es darum, ob es gleich wirksame Alternativen zu DDT | |
gibt, und wir sind der Meinung, die gibt es." Im Nachbarland Kenia werden | |
bereits biologische Sprühstoffe erprobt, die aus Pilzen gewonnen werden. Ob | |
solche Alternativen von den zumeist schulmedizinisch geprägten WHO-Experten | |
akzeptiert werden, ist offen. | |
Während des Gipfels der Stockholm-Konvention, der vom 25. April an in Genf | |
stattfindet, wird erstmals auch eine Globale Allianz zusammentreten, die | |
über Alternativen zu DDT beraten soll. Doch ein schnelles DDT-Verbot, so | |
glauben die Organisatoren des Gipfels, ist nicht zu erwarten. Vor allem die | |
USA, die selbst die Stockholm-Konvention nicht ratifiziert haben, fördern | |
den DDT-Einsatz im Rahmen einer Malaria-Initiative von Präsident Obama mit | |
Millionenbeträgen - auch in Uganda | |
So bleibt auch ungewiss, ob Bosco Acope jemals wieder Bioprodukte verkaufen | |
kann. Selbst wenn bei ihm kein DDT mehr gesprüht würde, müsste Acope noch | |
zwölf Jahre warten, bis die Konzentration ausreichend gesunken ist. | |
Vorläufig baut er deshalb Mais und Sojabohnen für den lokalen Verkauf an, | |
die bestenfalls zwei Drittel des Gewinns bringen. Die Moskitos seien nach | |
wie vor überall, erzählt der Bauer. "Aber wenn eines meiner Kinder jetzt | |
Malaria bekommt, habe ich kein Geld mehr, um es behandeln zu lassen." | |
27 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Marc Engelhardt | |
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