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# taz.de -- Reden über Privatsphäre: Wollt ihr die totale Nacktheit?
> Datenschützer Peter Schaar diskutierte in Berlin mit Anhängern der
> Post-Privacy-Bewegung. Die Frage war, ob Privatsphäre "sowas von
> Eighties" ist.
Bild: Kann er neuformuliert werden oder soll er entsorgt werden? Datenschutz.
BERLIN taz | Peter Schaar ist alleine. Der 56-jährige oberste Datenschützer
der Republik gehört eindeutig zu einer anderen Generation als die sechs
Mitte-20- bis Mitte-30-Jährigen auf den schwarzen Ledersitzen neben ihm.
Schaar hat sie ins Museum für Kommunikation in Berlin geladen. Hier soll
die Frage geklärt werden: "Ist Datenschutz wirklich so Eighties?" Also
etwas, was in den 80ern mal modern war, aber heute keinen mehr
interessiert?
Ach, die Achtziger. 1986 wurde Schaar zum Datenschützer. In den Achtzigern
konnte das Empören gegen den Staat und dessen Ideen wie die Volkszählung
tatsächlich noch Massen mobiliseren. Heute sammeln Unternehmen wie Google
und Facebook mehr Daten, als sich die Menschen damals überhaupt vorstellen
konnten. Kaum jemand kann etwas vor ihnen verbergen. Schaar will deshalb
Gesetze. Das ist sein Job.
Die Anhänger der Post-Privacy-Bewegung halten das für veraltet.
"Post-Privacy" deshalb, weil sie meinen: "Digitale Daten vor Zugriffen
schützen zu können, ist eine Illusion."
## Julia Schramm: "Privatsphäre ist sowas von Eighties."
Die Frau, die solche Sätze spricht, heißt Julia Schramm. Im März hat die
Bloggerin in einem Spiegel-Online-Interview gesagt, die Gesellschaft habe
längst die Kontrolle über ihre Daten verloren: "Ob wir es nun gut finden
oder nicht: Privatsphäre ist sowas von Eighties." Sie lieferte damit das
Motto für diesen Mittwochabend.
Das halten die Postprivatisten auch gar nicht für schlimm. Im Gegenteil,
sie finden es es toll. Der freie Publizist Christian Heller träumt von
einer besseren Welt: "Wenn alle nackt sind, interessiert sich niemand mehr
für die Nacktheit des anderen." Er glaubt, dass wir alle toleranter werden,
wenn das Private öffentlich ist.
## "Ihre Vision ist mit Sicherheit schön"
Schaar hält das für blauäugig, drückt das aber nett aus: "Ihre Vision ist
mit Sicherheit schön." Das gelte aber auch für den Kommunismus und der sei
gescheitert. Sein Referent Nils Bergemann sekundiert: "Ich glaube nicht an
eine Gesellschaft, in der es keine Intoleranz mehr gibt."
Markus Beckedahl, der Chef der größten deutschen netzpolitischen Plattform
Netzpolitik.org, ist ebenfalls geladen. Er teilt nach beiden Seiten aus.
Beckedahl glaubt nicht an die heile Welt von Christian Heller. Er lässt
aber auch kein gutes Haar an den Politikern, die für Datenschutz zuständig
sind und die Schaar seine Arbeitsstelle verschafft haben. Seit zehn Jahren
verfolge er die politischen Debatten um eine Datenschutzreform. Fazit: "Die
Politik flickschustert immer nur herum."
Da gebe es viel Symbolpolitik, wie dass Verbraucherschutzministerin Ilse
Aigner (CSU) ihr Facebook-Profil gelöscht hat. Stattdessen hätte die
Bundesregierung das Safe-Harbor-Abkommen aufkündigen können, das den
Austausch persönlicher Daten zwischen der EU und den USA erlaubt, obwohl
die Vereinigten Staaten keine adäquaten Datenschutzgesetze haben.
Er wünscht sich beim Datenschutz ein ähnliches Bewusstsein wie in Sachen
ökologisches Essen. Dann würden bereits Hersteller auf
datenschutzfreundliche Technik achten. Zudem schlösse sich ein Kreis, denn
die Ökobewegung war schließlich auch einmal gefühlt ziemlich "Eighties".
Und heute lässt sie Biomärkte wachsen und regiert Baden-Württemberg.
29 Apr 2011
## AUTOREN
Sebastian Fischer
## TAGS
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Post Privacy
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