# taz.de -- Al-Qaida nach bin Ladens Tod: "Seine Ideologie lebt weiter" | |
> Für die Al-Qaida-Zentrale ist bin Ladens Tod ein harter Schlag. Aber | |
> gleich morgen verschwinden wird der Dschihadismus nicht, meint der | |
> Politologe Asiem El Difraoui. | |
Bild: "Es wird immer wieder Splittergruppen geben, die bin Ladens Ideologie üb… | |
taz: Herr Difraoui, ist al-Qaida nach dem Tod von bin Laden am Ende? | |
Asiem El Difraoui: Für die Al-Qaida-Zentrale im pakistanisch-afghanischen | |
Grenzgebiet ist das schon ein harter Schlag. Aber ein Todesstoß ist es | |
vermutlich noch nicht. Viel wird auch davon abhängen, ob es al-Qaida | |
schafft, seinen Anhängern bin Ladens Tod als heldenhaft zu verkaufen. Im | |
Internet hat die Deutungsschlacht schon begonnen. | |
Welche Rolle hat bin Laden für al-Qaida zuletzt gespielt? | |
Bin Laden war die repräsentative Führerfigur, die mediale Ikone des | |
globalen Dschihad. Aber um das Operative, das Tagesgeschäft sozusagen, | |
haben sich wohl schon länger andere gekümmert: sein Stellvertreter Aiman | |
al-Sawahiri oder der jüngere Ideologe und Kämpfer Abu Jahja al-Libi. Und | |
für die Franchisefilialen der Terrororganisation in Jemen oder im Maghreb | |
ändert sich durch den Tod von bin Laden ohnehin zunächst wohl wenig. | |
"Wenn ich sterbe, wird der Krieg weitergehen", hat bin Laden einmal gesagt. | |
Ist das so? | |
Das glaube ich schon, ja. Bin Laden ist tot, seine Ideologie lebt weiter. | |
In Schriften oder in den unzähligen Videos im Internet. Es wird immer | |
wieder Splittergruppen geben, die den von bin Laden geschaffenen | |
ideologischen Korpus übernehmen werden. Der Dschihadismus wird nicht von | |
heute auf morgen verschwinden, sondern uns sicher noch einige Jahrzehnte | |
beschäftigen. | |
Könnte es jetzt zu Racheanschlägen kommen? | |
Racheakte könnte es schon geben, aber ob die hoch organisiert sein werden, | |
ist fraglich. Dass aber einzelne Zellen oder Sympathisanten isolierte | |
Wahnsinnstaten begehen könnten, etwa Angriffe gegen US-Bürger oder | |
amerikanische Einrichtungen, könnte ich mir schon vorstellen. Die spannende | |
Frage wird aber sein: Hat die al-Qaida-Zentrale noch Karten in der | |
Hinterhand? Schaffen es die restlichen Kader um al-Sawahiri, sich zu | |
sammeln und noch einmal ein spektakuläres Attentat durchzuführen? | |
In Nordrhein-Westfalen wurden Ende der vergangenen Woche drei Männer bei | |
der Planung eines Anschlags festgenommen. Der mutmaßliche Anführer der | |
"Düsseldorfer Zelle" soll den Befehl direkt von al-Qaida im | |
pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet bekommen haben. Das gab es noch nie | |
in Deutschland. Waren Sie überrascht? | |
Es ist eher erstaunlich, dass jetzt zum ersten Mal konkrete Pläne für einen | |
Anschlag von al-Qaida in Deutschland bekannt wurden und das nicht schon | |
vorher passiert ist. Denn dass Deutschland ein Ziel von al-Qaida sein | |
könnte, war schon lange klar, und es wird es vermutlich auch weiter bleiben | |
- auch nach bin Laden. | |
Bin Ladens Tod ist nicht der einzige Rückschlag für al-Qaida. Die arabische | |
Revolution hat ohne das Zutun der Dschihadisten stattgefunden. Wie sehr hat | |
das al-Qaida geschwächt? | |
In Ägypten und Tunesien war al-Qaida wirklich außen vor und wusste lange | |
gar nicht, wie man reagieren soll. Der späte Versuch, die Revolutionen für | |
sich zu reklamieren, war dann durchsichtige Propaganda. Aber im Jemen sieht | |
die Sache schon etwas anders aus. Der dortige Chefideologe von al-Qaida, | |
Anwar al-Awlaki, hat gerade in einer Sonderausgabe der englischsprachigen | |
Terrorpostille Inspire angekündigt, man wolle das Vakuum im Jemen und in | |
Libyen ausnutzen. | |
3 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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