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# taz.de -- Kritik am Urteil zur Sicherungsverwahrung: "Freiheitsrecht des Tät…
> Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelungen zur Sicherheitsverwahrung
> in einem weitreichenden Urteil gekippt. Was nun eine Menge Arbeit und
> Kosten verursacht, provoziert Kritik.
Bild: Sieht eine Menge Probleme nach dem Urteil: Wolfgang Bosbach (CDU).
BERLIN dpa | Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang
Bosbach (CDU), hat das weitreichende Karlsruher Urteil zur
Sicherungsverwahrung als "problematisch" kritisiert. Er sagte dem Hamburger
Abendblatt: "Es bedeutet ja nicht nur viel Arbeit für den Gesetzgeber, der
das gesamte Regelwerk überarbeiten muss, sondern vor allem eine enorme
Belastung für die Polizeibehörden."
Die Rund-um-die-Uhr-Überwachung eines einzigen freigelassenen, aber
weiterhin gefährlichen Straftäters benötige 20 bis 25 Polizeibeamte,
betonte Bosbach. "Auch auf die Gerichte und Gutachter wird viel Arbeit
zukommen", sagte der CDU-Politiker. Sie müssten künftig in jedem Einzelfall
noch mal prüfen, ob ein Straftäter nur weiterhin gefährlich oder - wie vom
Bundesverfassungsgericht gefordert - hochgefährlich und psychisch gestört
ist. "Wie man diese Unterscheidung künftig ziehen soll, ist mir unklar",
sagte Bosbach.
Die Sicherungsverwahrung für besonders gefährliche Straftäter muss nach
Karlsruher Vorgaben völlig neu geregelt werden. Das Verfassungsgericht
erklärte am Mittwoch sämtliche Regelungen über die gerade erst reformierte
Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig. Damit kommen die Verbrecher
nicht sofort frei. Für die Neuregelung setzten die Richter dem Gesetzgeber
eine Frist von zwei Jahren. Solange dürfen gefährliche Gewalt- und
Sexualtäter nach Verbüßung ihrer Strafe unter strengen Voraussetzungen
eingesperrt bleiben.
## 26 Beamte nötig, um einen Schwerstkriminellen zu bewachen
Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, befürchtet
eine weitere Verschärfung des Personalproblems wegen des
Verfassungsgerichtsurteils. Er sagte am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk
(Bayern2), erfahrungsgemäß seien 24 bis 26 Beamten nötig, um einen
entlassenen Schwerstkriminellen rund um die Uhr zu bewachen. Ihm lägen
Studien vor, in denen die Kosten dafür pro Monat auf eine Million Euro
geschätzt würden.
"Die Belastbarkeit der deutschen Polizei ist längst an ihre Grenze
geraten", so Witthaut. "Dies ist eine weitere zusätzliche Belastung, die
uns noch mal ganz massiv fordern wird." Er mahnte eine länderübergreifende
Anstrengung an, um passende Unterbringungs- und Therapieeinrichtungen für
die betroffenen Personen zu schaffen - "wo man dann diese Leute auch
behandeln kann, wo man sie auch betreuen kann, und wo man sie dann
natürlich auch vor sich selbst schützen kann, aber auch (... die
Bevölkerung davor schützen kann".
Auch Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) kritisierte das Karlsruher
Urteil, da es Freiheitsrechte des Täters vor den Schutz der Bevölkerung
stelle. "Ich bin enttäuscht", sagte die Politikerin der Augsburger
Allgemeinen. "Das ist schon eine deutliche Änderung in der Rechtsprechung."
Das Verfassungsgericht habe bisher den Sicherheitsbedürfnissen der
Bevölkerung Priorität gegeben, "jetzt stärkt es das Freiheitsrecht des
Täters".
Merk forderte mit Blick auf die notwendige Gesetzesnovelle Mitspracherecht
der Länder: "Die Neuregelung im Bundesgesetz sollte jedoch im Benehmen mit
den Bundesländern erfolgen."
5 May 2011
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Schwerpunkt Überwachung
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