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# taz.de -- Abschiebung aus Europa: Mit Scham zurück nach Togo
> Afrikanische Flüchtlinge, die in Europa scheitern und abgeschoben werden,
> stoßen in ihren Gesellschaften auf Unverständnis. So auch Sahmoudine
> Coubadja.
Bild: Nach 15 Jahren zurück in Togo: Sahmoudine Coubadja.
TOGO taz | Als der Togolese Sahmoudine Coubadja im Februar 2007 erstmals
wieder sein Heimatland betritt, wird er gleich festgenommen. Schuld seien
die fehlenden Papiere, heißt es. Erst als ein wohlwollender Polizist seinen
Namen mit dem des berühmten togolesischen Fußballspielers in Verbindung
bringt, darf Coubadja das Flughafengebäude verlassen. Der Polizist geleitet
ihn bis nach draußen, kauft ihm ein Handyguthaben und ruft einen Verwandten
an, der ihn abholen soll.
Vier Jahre später sagt Coubadja: "Ich habe Glück gehabt. Die Polizisten und
Militärs hier mögen uns nicht. Sie sagen, wir würden in Europa Lügen über
den Präsidenten erzählen."
Coubadja wurde wie viele seiner Landsleute aus Europa abgeschoben. Nach 15
Jahren und mehreren Versuchen, vor der Abschiebung zu flüchten, hatte er
dem Druck der Behörden nachgegeben. Er habe keine Lust mehr gehabt zu
rennen, sagt er heute.
Seit seiner Jugend sei er auf der Flucht gewesen: Erst als Oppositioneller
vor der Militärdiktatur des ehemaligen Präsidenten Gnassingbé Eyadéma,
später vor den Behörden in Europa. Als 19-Jähriger kommt er nach Karlsruhe,
wo sein Antrag auf politisches Asyl abgelehnt wird. Es folgen Stationen in
Rotterdam, Halberstadt und Chur in der Schweiz. Im Alter von 35 Jahren und
zwei Jahre nach dem Tod Eyadémas kehrt er 2007 zurück nach Togo. Doch auch
dort geht das Versteckspiel weiter.
Abgeschobene Togolesen haben bei ihrer Rückkehr mit vielerlei Problemen zu
kämpfen. Meist schwer traumatisiert, müssen sie Familie und Gesellschaft
Rechenschaft ablegen. Der Mythos des afrikanischen Bruders, der in Europa
Wohlstand und Glück gefunden hat, hält sich hartnäckig.
## Abhängig von der Unterstützung der Familie
Abdou Razak Aboubakar, Koordinator des Vereins Association Togolaise des
Expulsés (ATE), eines selbst organisierten Vereins der Abgeschobenen in der
Zentralregion Tschaoudjo, erklärt: "Bis heute wird das Thema Migration in
Togo vernachlässigt. Abschiebung und gescheiterte Migrationsversuche werden
von Staat und Gesellschaft tabuisiert."
Dabei findet sich in der Zentralregion kaum jemand, der nicht von einem
Bruder in Deutschland erzählen kann. Die ehemalige Kolonialmacht
Deutschland ist ein gefragtes Zielland, der Großteil der 50 Mitglieder des
Vereins der abgeschobenen Togolesen hat in Deutschland gewohnt.
"Neben der Angst vor dem Staat ist Scham das größte Problem bei der
Wiedereingliederung in die Gesellschaft", erzählt Aboubakar. Die Rückkehrer
versuchten die Abschiebung zu verheimlichen. Aus einem angeblichen Besuch
werden Wochen, dann Monate, schließlich ein Jahr. Oft sagen die Rückkehrer
nichts, das nahe soziale Umfeld erkennt die Situation dann irgendwann von
selbst.
Dennoch sind die Abgeschobenen auf sich allein gestellt. Jene, die nach
Europa gehen, um von dort aus ihre Familie zu unterstützen, kehren nach der
Abschiebung mit leeren Händen zurück. Sie sind nun selbst von der
Unterstützung der Familie abhängig. Die prekäre Situation hat Folgen:
psychische und körperliche Krankheiten, geschiedene Ehen, Kinder, die
leiden.
"Wir, die in Europa waren und gesehen haben, wie schwierig es ist, müssen
unseren togolesischen Brüdern davon erzählen", sagt Aboubakar voller
Überzeugung. Deswegen gründete er mit anderen Abgeschobenen 2008 in Sokodé,
der Hauptstadt Tchaudjos, den Verein ATE.
Die Aktivitäten sind vielfältig. Die Mitglieder wollen ihre Rechte
verteidigen. So bietet ATE über eine Kooperation mit der deutschen
Organisation Karawane e. V. juristischen Beistand, um ausstehende Gehälter
oder einbezahlte Rentenbeiträge in Deutschland einzufordern.
Gleichzeitig gibt der Verein Abgeschobenen Hilfestellung in akuten
Notlagen. Es ist geplant, einen ständigen Delegierten am Flughafen in der
Hauptstadt Lomé zu beschäftigen. Er soll Rückkehrer in Empfang nehmen,
ihnen eine Herberge und psychologische Unterstützung bieten. Ein im letzten
Jahr gepflanztes Maisfeld macht es möglich, selbst ein kleines Einkommen zu
erwirtschaften. Das wichtigste Ziel bleibt jedoch die Aufklärung. "Wir
müssen aufhören, uns zu verstecken", sagt Aboubakar und fügt nach einer
Pause hinzu: "Damit die Flucht ein Ende hat."
9 May 2011
## AUTOREN
Lene Albrecht
## TAGS
Togo
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