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# taz.de -- Hilfen machen Mehrarbeit: Bildungspaket belastet Lehrer
> Die finanziellen Hilfen des Bundes für bedürftige SchülerInnen bedeuten
> viel Mehrarbeit für Lehrkräfte. Auch die Senatsverwaltung beklagt ein
> "bürokratisches Monstrum".
Bild: Wenn sie alle Nachhilfelehrer brauchen, dann braucht der Lehrer irgendwan…
Nicht, dass Schulleiter Eberhard Kreitmeyer etwas dagegen hat, wenn es mehr
Geld für Bildung gibt. Doch für die Umsetzung des Bildungspakets der
Bundesregierung findet der Rektor eines Charlottenburger Gymnasiums nur ein
Wort: "Eine Katastrophe!" Zwar bekämen bedürftige Eltern nun Geld etwa für
Nachhilfe und Ausflüge. Doch Organisation und Bürokratie werde vor allem
den Schulen aufgehalst: "Die Lehrer sollen den Bedarf belegen,
Nachhilfelehrer und Nachhilfeschulen prüfen, ob diese oder jene für den
jeweiligen Schüler geeignet ist, kontrollieren, ob die ihre Arbeit gut
machen, und dann sich dann auch noch um die Anträge und die Bezahlung
kümmern", schimpft Kreitmeyer.
110 Millionen Euro erhält Berlin vom Bund im Rahmen des Bildungspakets.
Damit soll Kindern aus Familien, die staatliche Unterstützung erhalten,
etwa die Teilnahme an Nachhilfe oder Schulausflügen erleichtert werden.
Beantragen können die Leistungen nicht nur Hartz-IV- oder
Sozialhilfebezieher, sondern auch Empfänger von Wohngeld oder
Kinderzuschlag. Entsprechend kompliziert ist die Bürokratie: Voraussetzung
für die Förderung ist der Berlinpass, der allen Leistungsbeziehern zusteht,
aber selbst erst beantragt werden muss. Die einzelnen Zuschüsse müssen dann
immer dort nachgefragt werden, wo die jeweilige Finanzhilfe bezogen wird:
Beim Jobcenter, der Wohngeldstelle, dem Sozialamt oder der Leistungsstelle
für Asylbewerber.
Und das müssen oft die Lehrer erledigen. Nicht nur bei der Nachhilfe,
sondern auch für Klassenfahrten oder Ausflüge müssen sie im Zweifelsfall
jede einzelne Fahr- oder Eintrittskarte anspruchsberechtigter SchülerInnen
abrechnen - teils sogar über ihr Privatkonto, sollte die Schule kein
Schulkonto haben, was noch nicht in allen Bezirken der Fall ist.
Etwa ein Fünftel der SchülerInnen an Kreitmeyers Gymnasium beziehen
Sozialleistungen, mit den Wohngeld- und Kinderzuschlagsempfängern erhöht
sich die Zahl der Anspruchsberechtigten für das Bildungspaket sogar. "Und
eine Klasse hat 30 Kinder", so der Schulleiter: Für die Lehrkräfte bedeute
das "eine ungeheure bürokratische Zusatzbelastung". Die
Schulleiterversammlung seines Bezirks habe das Verfahren bereits abgelehnt,
man wolle es auf der nächsten Berlin weiten Schulleiterkonferenz
ansprechen.
Jürgen Schulte, Sprecher der Initiative "Grundschule in sozialen
Brennpunkten", bestätigt: Auch er sei bereits von mehreren Schulleitungen
auf das Problem angesprochen worden. Denn für Schulen mit vielen
Hilfeempfängern "kommen da schon viele Arbeitsstunden zusammen", so
Schulte. Gerade in der Anfangsphase der Umsetzung "könnte man zusätzliche
Arbeitskraft brauchen".
Laut Senatsbildungsverwaltung sollen den Mehraufwand, der an Schulen durch
das Ausfüllen, die Prüfung und Gegenzeichnung von Anträgen entsteht, die
Schulsekretariate übernehmen. Dafür würden bis zum Jahresende 40 Stellen
eingerichtet, hatte Bildungsstaatssekretärin Claudia Zinke angekündigt. Ein
Mogelpaket, nennt es Monika Herrmann, Bildungsstadträtin im Bezirk
Kreuzberg-Friedrichshain. Ausgeschrieben werden dürften jetzt Stellen, die
lange frei waren, weil sie nicht aus dem Personalüberhang des Öffentlichen
Dienstes besetzt werden konnten: "Das macht uns zwar so glücklich, als
fielen Weihnachten, Ostern und Hochzeit auf einen Tag", so Herrmann: "Neue
Stellen sind das aber nicht."
Insgesamt sei das Bildungspaket "eine Menge Bürokratie, deren Sinn und
Zweck sich uns nicht erschließt", sagt Schulleiter Kreitmeyer. Schulte
kritisiert zudem die Grundidee der Förderung: "Schulpolitisch befinden wir
uns eigentlich auf dem Weg zu einer inklusiven Schule, die individuelle
Förderung für jedes Kind bietet." Das Herausnehmen von Kindern in spezielle
Nachhilfegruppen sei "ein Rückfall in altes Denken", so Schulte: "Schulen
müssen personell so ausgestattet sein, dass Förderung im Unterricht
passieren kann."
Das Bildungspaket sei "tatsächlich ein bürokratisches Monstrum, das der
Bund uns aufgelastet hat", sagt selbst Christian Walther, Sprecher der
Senatsbildungsverwaltung. Vereinfachungen wären wünschenswert. "Unsere
Priorität lag aber darin, die antragsberechtigten Familien von unzumutbarem
Aufwand freizustellen."
9 May 2011
## AUTOREN
Manuela Heim
Alke Wierth
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