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# taz.de -- Mitterrand-Erinnerungen in Frankreich: Präsident der verklärten T…
> Der 30. Jahrestag der Wahl des Sozialisten François Mitterrand zum
> französischen Staatspräsidenten am 10. Mai 1981 wird zum Anlass einer
> unglaublichen Nostalgiewelle.
Bild: Europäer und Sozialist: François Mitterrand.
PARIS taz | Vor 30 Jahren, am 10. Mai 1981, wurde der Sozialist François
Mitterrand in Frankreich zum Staatspräsidenten gewählt. Zum ersten Mal
wurde ein Politiker der Linken Staatschef der 1958 von General de Gaulle
gegründeten Fünften Republik. So steht es in den Geschichts- und
mittlerweile auch in den Schulbüchern. Den Kindern im Klassenzimmer sagt
der Name nicht mehr als der seines Vorgängers Valéry Giscard dEstaing oder
seines Nachfolgers Jacques Chirac.
Ganz anders aber reagieren ihre Eltern und Großeltern, wenn der Name
Mitterrand genannt wird. Dessen enthusiastische Wähler wurden damals von
den Medien kurzerhand zur "Génération Mitterrand" erklärt. Die 14 Jahre
seiner Präsidentschaft von 1981 bis 1995 waren deren eigene Jugend, samt
Utopien und Ambitionen. Wie ihre eigenen Pläne stießen auch viele der
Wahlversprechen des Sozialisten schnell auf den harten Boden der Realität.
Im Nachhinein aber wollen alle von Mitterrand vor allem das Positive und
Große behalten: die Abschaffung der Todesstrafe, die fünfte Urlaubswoche
oder die Rente mit 60, die Händchen haltende französisch-deutsche
Freundschaft mit Helmut Kohl in Verdun …
Manche kommen gar ins Schwärmen über den "letzten richtigen Staatsmann von
Format", und selbst frühere politische Feinde erinnern sich amüsiert an den
politischen Fuchs oder "Florentiner" und an den Schürzenjäger, der während
fast zwanzig Jahren ein Doppelleben geführt und der Nation eine uneheliche
Tochter verheimlicht hatte.
## Auf allen Titelseiten
Unbeteiligt jedenfalls reagieren in Frankreich wenige der über 40-Jährigen,
die auf ihre Meinung zum ehemaligen sozialistischen Staatschef angesprochen
werden. Ihre Erinnerungen werden jetzt aufgefrischt.
Der an sich banale 30. Jahrestag seiner Wahl wird zum Anlass einer
unglaublichen Nostalgiewelle, an der keiner vorbeikommt. Am Kiosk macht
seit Tagen Mitterrands Porträt auf den Titelseiten der Magazine und
Zeitungen bin Laden die Priorität streitig.
Eigenartig kommt diese dringende Sehnsucht nach der Ikone einer vergangenen
Ära nicht bloß ausländischen Zaungästen vor. Le Figaro ärgert sich sogar
über diese späte Ehrung eines Präsidenten, den die konservative Pariser
Zeitung stets bekämpft hat: "Es gehört zum Ritual der Linken, ihre
wichtigsten Persönlichkeiten der Vergangenheit heraufzubeschwören. Ein
seltsamer, rückwärts gerichteter Reflex, jetzt, wo die Welt sich so rasch
verändert und alte Schemata in einer globalisierten Welt untauglich
geworden sind."
##
## Dubiose Vergangenheit
Unversöhnlich erklärt Figaro-Herausgeber Étienne Mougeotte im Nachhinein
Mitterrands "Programm Commun" der vereinten Linken zum "Mahnmal des
wirtschaftspolitischen Unsinns". Wer 15 Jahre nach seinem Ableben mit
solchem Eifer bekämpft wird, hat vielleicht doch eine solche Aufmerksamkeit
verdient?
Die sozialistischen Mitterrand-Fans dagegen müssten sich eigentlich
geißeln, da der Gedenktag ihnen nur umso grausamer vor Augen führt, dass
sie seit Mitterrand unfähig waren, eine Präsidentschaftswahl zu gewinnen.
Ihnen erklärt unter anderen Laurent Joffrin, der Chefredakteur des Nouvel
Observateur, welche "Lehren" die heutige Linke aus dem Wahlsieg von 1981
ziehen könne, der von der Hälfte der Franzosen und Französinnen wie ein
"Befreiungssignal" empfunden worden sei.
Dass in den unzähligen Artikeln, Erinnerungen und Sendungen auch
Mitterrands Schattenseiten (seine dubiose Vergangenheit in Vichy oder das
Attentat auf das Greenpeace-Schiff "Rainbow Warrior") und die
Enttäuschungen zur Sprache kommen, tut dem rosarot eingefärbten Gesamtbild
kaum Abbruch.
10 May 2011
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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