# taz.de -- Krieg in Libyen: Haftantrag gegen Gaddafi | |
> Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs hat Haftbefehl | |
> gegen Gaddafi, dessen Sohn und den Chef des Geheimdienstes beantragt. | |
> Drei Offiziere haben sich abgesetzt. | |
Bild: Chefankläger Moreno-Ocampo wirft Gaddafi die Tötung von mindestens 500 … | |
TRIPOLIS/TUNIS dapd/dpa | Der Chefankläger des Internationalen | |
Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag hat am Montag internationale | |
Haftbefehle gegen den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi, seinen Sohn | |
Saif al-Islam sowie Geheimdienstchef Abdullah Senussi beantragt. Ihnen | |
werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, darunter Morde, | |
Folter, die Verfolgung unschuldiger Menschen und Vergewaltigungen. | |
"Diese Verbrechen gehen weiter, während wir versammelt sind", sagte | |
Chefankläger Luis Moreno-Ocampo bei einer Pressekonferenz in Den Haag. | |
"Gaddafi hat die Verbrechen verübt, um seine Macht zu sichern." Die | |
Verdächtigen sollen vor allem für blutige Überfälle von Sicherheitskräften | |
auf friedliche Demonstranten sowie die Tötung von Zivilisten bei Angriffen | |
seiner Truppen auf regierungsfeindliche Rebellen verantwortlich sein. | |
Der Chefankläger begründete die Haftanträge in einem mehr als 70 Seiten | |
umfassenden Dossier mit von der Staatsanwaltschaft zusammengetragenem | |
Beweismaterial. Die Akte wurde den drei Richtern der für Prüfungskammer des | |
IStGH übergeben. Erst wenn sie entscheiden, dass die Vorwürfe hinreichend | |
belegt sind und einen Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit | |
rechtfertigen, können die Haftbefehle tatsächlich ausgestellt werden. | |
Die Staatsanwaltschaft wirft Gaddafi und den anderen Verdächtigen | |
persönliche strafrechtliche Verantwortung für die Tötung von mindestens 500 | |
bis 700 Demonstranten vor. Sie legt ihnen zudem den Einsatz schwerer und | |
teils sogar verbotener Waffen - speziell Splitterbomben - gegen Zivilisten | |
sowie gezielte Vergewaltigungen als Mittel zur Einschüchterung der | |
Bevölkerung zur Last. | |
Der UN-Sicherheitsrat in New York hatte dem Haager "Weltstrafgericht" das | |
Mandat für Ermittlungen im Libyen-Konflikt am 26. Februar einstimmig | |
erteilt. Bereits am 4. Mai berichtete Moreno-Ocampo dem höchsten | |
politischen Entscheidungsgremium der Weltorganisation, er habe | |
ausreichendes Beweismaterial. "Es wird in Libyen keine Straflosigkeit | |
geben", versprach der Chefankläger. | |
## Drei Offiziere nach Tunesien abgesetzt | |
In Libyen suchen immer mehr Militärs und Politiker das Weite. Tunesische | |
Medien meldeten in der Nacht zum Montag, drei Offiziere der libyschen Armee | |
hätten sich mit einem Boot aus der Stadt Al-Sawija nach Tunesien abgesetzt. | |
Zuvor hatte nach Angaben des Innenministeriums eine größere Gruppe von | |
Funktionären, darunter der Chef der Zollbehörde und ein Diplomat, die | |
Grenze überquert. Es war aber nicht klar, ob die Politiker und Beamten, die | |
zum Flughafen von Djerba fuhren, fliehen wollten oder ob sie im Auftrag des | |
bedrängten Machthabers Muammar al-Gaddafi reisen. | |
Die libysche Regierung hat Bemühungen des Internationalen Strafgerichtshof | |
(IStGH) um Haftbefehle gegen drei Angehörige des Regimes als bedeutungslos | |
zurückgewiesen. Der stellvertretende Außenminister Chaled Kaim erklärte, | |
man werde dieser Entscheidung keine Beachtung schenken. Libyen erkenne die | |
Zuständigkeit des IStGH wie die meisten afrikanischen Länder nicht an. | |
## Gaddafi angeblich verletzt | |
## | |
Italiens Außenminister Franco Frattini zeigte sich überzeugt, dass Gaddafi | |
Tripolis verlassen habe. Dem katholischen Bischof der Stadt, Giovanni | |
Martinelli, zufolge ist Gaddafi offenbar verletzt und aus der Stadt | |
geflohen. Dies sei glaubwürdig, sagte Frattini. Allerdings sei nicht | |
bekannt, wo Gaddafi sich aufhalte. | |
## Gefechte in Taworgha | |
Der Militärsprecher der Aufständischen in Bengasi, Ahmed al-Bani, sagte, am | |
Montag habe es erneut Gefechte zwischen den Revolutionären und den Truppen | |
des Regimes in der Ortschaft Taworgha gegeben, die südöstlich der seit | |
Wochen umkämpften Stadt Misurata liegt. "In dieser Stadt gibt es sehr viele | |
Agenten des Regimes, deshalb ist sie von großer strategischer Bedeutung für | |
uns", erklärte der Sprecher. | |
Libysche Rebellen hatten am Sonntag erklärt, sie hätten die Hafenstadt | |
Misurata im Westen des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Die Angaben | |
konnten nicht von unabhängiger Quelle bestätigt werden. | |
Die libysche Nachrichtenagentur JANA hatte am Sonntagabend Angriffe der | |
Nato auf militärische und zivile Ziele in der Hauptstadt Tripolis gemeldet. | |
In dem Bericht war die Rede von mehreren Opfern. Die Aufständischen | |
erklärten auf ihren Websites, es sei unter anderem ein Munitionsdepot im | |
Stadtteil Dschansur getroffen worden. In dem Vorort Tadschura sei es zu | |
Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern von Gaddafi gekommen. | |
Die Oppositionszeitung Libya al-Yom meldete, die Aufständischen hätten am | |
vergangenen Samstag ein Komplott von Gaddafi-Anhängern in der östlichen | |
Stadt Bengasi aufgedeckt. Diese hätten versucht, im Hotel "Tibesti" den | |
Generator in die Luft zu jagen und das Wasser zu vergiften. | |
16 May 2011 | |
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