Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neonaziaufmarsch in Kreuzberg: Gewalt erschreckt die Polizei
> Nach dem NPD-Aufmarsch in Kreuzberg kritisieren auch Politiker von
> Rot-Rot die Polizei. Die Brutalität der Rechtsextremisten hat selbst die
> Polizei überrascht.
Bild: Proteste gegen die Kundgebung von Rechtsradikalen am Mehringdamm.
Das Entsetzen sitzt vielen AnwohnerInnen des Mehringdamms, wo am Samstag
ein Naziaufmarsch stattfand, noch in den Knochen: Sie sei mit ihren Kindern
"Gott sei Dank" im Grünen gewesen, so eine Deutschtürkin. "Aber als wir
zurückkamen, war die angespannte Stimmung im Kiez noch zu spüren." Eine
andere Anwohnerin sagt, sie müsse sich wohl langsam überlegen, "wieder die
türkische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Wenn jetzt hier Nazis
durchmarschieren dürfen, heißt das ja wohl, dass wir Einwanderer uns
künftig warm anziehen müssen." Eine "Kampfansage" sei das, fürchtet sie.
Auch der Türkische Bund Berlin (TBB) verurteilte die Übergriffe. Er sehe
"einen unmittelbaren Zusammenhang" mit der fehlenden gesellschaftlichen
Ächtung migrantenfeindlicher Parolen, so TBB-Sprecher Hilmi Kaya Turan.
Wie kann es sein, dass die Polizei Rechtsextremen einen Marsch durch
Kreuzberg erlaubt und dabei Übergriffe auf Passanten nicht verhindern kann?
Diese Frage treibt zwei Tage nach der Demo von etwa 120 Rechten nicht nur
MigrantInnen um.
Auch aus der Politik wurde am Montag heftige Kritik am Einsatz und der
Strategie der Polizei laut. Die hatte die von der NPD angemeldete
Demonstration und ihre Route bis zuletzt geheimgehalten. Dennoch
versammelten sich 400 bis 500 GegendemonstrantInnen, um den geplanten
Marsch der Rechten zum Platz der Luftbrücke an der U-Bahn-Haltestelle
Mehringdamm zu blockieren. Als die Polizei versuchte, die rechten
Demonstranten durch den Bahnhof aus dem Blockadebereich zu führen,
"überrannten unvermittelt Aufzugsteilnehmer an der Spitze des Aufzugs die
Polizeikräfte und erreichten für kurze Zeit unbegleitet die Oberfläche des
Mehringdamms", heißt es in der Pressemitteilung der Polizei.
Mit brutalen Konsequenzen: Augenzeugen berichten von Übergriffen Rechter
auf unbeteiligte Passanten, die wie Nichtdeutsche aussehen; regelrechte
Jagdszenen habe es gegeben, so TeilnehmerInnen der Gegendemo, unter denen
es mehrere Verletzte gab. Die Polizei, die mit 600 Einsatzkräften vor Ort
war, zählte 36 verletzte Beamte, von denen einer stationär behandelt werden
musste.
Linken-Landeschef Klaus Lederer nannte es "skandalös", dass die Polizei den
Aufmarsch geheim gehalten hatte. "Das lässt sich nicht mit Aufrufen
vereinbaren, nicht wegzuschauen, wenn Rassisten und Antisemiten offen
marschieren." Lederer forderte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) auf, den
Eindruck zu vermeiden, die Polizei würde "die Geheimhaltungstaktik der
Rechtsextremen durch ihre Informationspolitik begünstigen".
Auch aus der SPD selbst kommt Kritik. Für die Geheimhaltung habe es "keinen
Grund und keinen Anlass" gegeben, so SPD-Innenexperte Tom Schreiber. "Diese
Strategie verwundert umso mehr, als die Polizei bei Demonstrationen sonst
immer gute Arbeit geleistet hat."
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verurteilte die rechtsextremen
Ausschreitungen als "erschreckenden Gewaltexzess" gegenüber weitgehend
friedlichen Gegendemonstranten und unbeteiligten Dritten. Warum er als
zuständiger Senator für den Verfassungsschutz, der die Rechtsextremen im
Visier hat, auf deren Brutalität offenbar nicht vorbereitet war,
beantwortete Körting der taz nicht. Er kündigte die strengere Prüfung
künftiger "vergleichbarer Demoanmeldungen" an (siehe Text unten).
Laut Polizei werden auch Videos aus dem U-Bahnhof ausgewertet. Bislang
werde gegen 29 Personen wegen Volksverhetzung, Sachbeschädigung,
Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Widerstands
ermittelt. Vierzig Rechte und acht Gegner waren am Samstag kurzzeitig
festgenommen worden. Die Polizei habe nicht mit so einer Gewalt der
Rechtsextremen gerechnet, heißt es aus Sicherheitskreisen: Das sei "eine
neue Stufe". Bei künftigen Aufmärschen Rechter werde das Konsequenzen
haben.
Parlamentarisch wird der Polizeieinsatz in den Ausschüssen für
Verfassungsschutz und Inneres Thema sein. Die SPD Friedrichshain-Kreuzberg
lädt am Donnerstag (20 Uhr, Rathaus Kreuzberg, Yorckstraße) zu einer
Diskussion über den Einsatz ein. Auch die Polizei ist eingeladen.
16 May 2011
## AUTOREN
Alke Wierth
Konrad Litschko
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach eskalierter Neonazi-Demo: Razzien gegen Rechte
Die Polizei durchsucht bundesweit Wohnungen von zwölf Rechtsextremen -
darunter fünf Berliner. Sie sollen auf einem Aufzug in Kreuzberg
Gegendemonstranten verprügelt haben.
Kreuzberg demonstriert gegen Nazis: Mit Lautsprecher zur "Hölle"
Ca. 1.000 Menschen demonstrieren am Samstag gegen Nazis, gegen die Polizei
und teils auch für Kurdistan.
Anschläge auf linke Einrichtungen: Rechtsextreme lassen nicht locker
Mehrere linke Einrichtungen sind in Berlin offenbar von Rechtsextremen
attackiert worden. Dies und der Polizeieinsatz am Samstag führen zu
heftigen Diskussionen.
Polizeieinsatz in Kreuzberg: Nazi-Gewalt hat Folgen
Nach heftiger Kritik kündigt Innensenator Ehrhart Körting an, Aufmärsche
von Neonazis künftig publik zu machen. Antifa fahndet derweil im Internet
nach rechten Schlägern.
Rechter Aufmarsch in Berlin-Kreuzberg: Der Mob im Multikultikiez
Rechtsextreme sind in Kreuzberg auf Passanten losgegangen. Dabei spielte
die Polizei eine fragwürdige Rolle: Sie hatte den Aufmarsch geheim gehalten
und die Lage nicht im Griff.
Neonazis triumphieren: Rechte feiern ihre Schläger
In rechten Internetforen wird die Neonazi-Demo in Kreuzberg bejubelt. Die
geheime Vorbereitung des Aufmarschs hat durchaus Methode
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.