# taz.de -- Zweifel an Legitimation der Agrarindustrie: So viel Chemie ist gar … | |
> Die Lebensmittelproduktion soll laut FAO deutlich gesteigert werden – mit | |
> Chemie und Gentechnik. Da wurde falsch gerechnet, meinen WWF und | |
> Böll-Stiftung. | |
Bild: Herbizide auf den Acker – schädlich für Mensch und Umwelt. | |
BERLIN taz | Das wichtigste Argument für mehr Chemie in der globalen | |
Landwirtschaft ist in die Kritik geraten: die Prognose der | |
UN-Ernährungsorganisation FAO, wonach die weltweite Lebensmittelproduktion | |
unter anderem wegen des Bevölkerungswachstums bis 2050 um 70 Prozent | |
gegenüber 2005/2007 steigen müsse. | |
Eine Studie der Universität Hohenheim im Auftrag der Umweltorganisation WWF | |
und der Grünen-nahen Böll-Stiftung kommt zu dem Schluss, dass die FAO ihren | |
Berechnungen teils unrealistische Annahmen zugrunde gelegt habe. | |
Die FAO-Vorhersage vom September 2009 wird zum Beispiel gegen die | |
Bio-Landwirtschaft angeführt, die auf chemisch-synthetische Pestizide und | |
Mineraldünger verzichtet und so niedrigere Erträge erzielt. Chemiekonzerne | |
begründeten unter anderem mit der 70-Prozent-Zahl, weshalb sie Pflanzen mit | |
Hilfe der Gentechnik verändern. Und die Agrarindustrie argumentiert mit der | |
Prognose in der aktuellen Debatte über die neue Verteilung der | |
Landwirtschaftssubventionen in der Europäischen Union dagegen, den Bauern | |
mehr Umweltauflagen zu machen. | |
## Weggeworfene Lebensmittel nicht eingerechnet | |
Doch bei der Kalkulation der Zahl habe die FAO vor allem unterschätzt, wie | |
viel Nahrungsmittel-Produktion eingespart werden könnte, wenn man die etwa | |
durch falsche Lagerung verursachten Lebensmittelverluste reduziert, heißt | |
es in der neuen Studie. So habe die Organisation die globalen | |
Getreideverluste in den Jahren 1997/99 auf maximal 10,4 Prozent der Ernte | |
beziffert. | |
Aber dabei habe die FAO zum Beispiel die Mengen weggelassen, die | |
Verbraucher nach dem Kauf ungenutzt "entsorgen". Mit diesem Anteil und auf | |
Grundlage neuer Daten beträgt die Verschwendungsquote je nach Weltregion | |
20,5 bis 34,5 Prozent, wie aus einer Untersuchung hervorgeht, die die FAO | |
selbst vergangene Woche veröffentlicht hat. Wenn die Menschen weniger | |
Lebensmittel verschwenden, müsste also die Produktion weit weniger steigen. | |
Die von WWF und Böll-Stiftung beauftragten Wissenschaftler raten deshalb, | |
Nachernteverluste stärker zu erforschen. Derzeit flössen nur fünf Prozent | |
der Gelder für Agrarforschung in Arbeiten über Nachernte-Systeme. Das zu | |
ändern, sollte die FAO stärker anstreben als bisher, schreiben die Autoren. | |
Bisher konzentriere sich die Organisation in ihrer Kommunikation zu stark | |
auf Produktionssteigerungen. Die FAO nahm auf taz-Anfrage zunächst nicht zu | |
der Studie Stellung. | |
18 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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