# taz.de -- Geringe Entschädigung für G-8-Razzia: Nur ein Quäntchen Recht | |
> Das Landgericht Hamburg billigt dem Opfer einer rechtswidrigen G 8-Razzia | |
> nur eine geringe Entschädigung zu. Justizbehörde hatte die Zahlung | |
> jahrelang verweigert. | |
Bild: Protest gegen den G 8-Gipfel im Jahr 2007 vor der Roten Flora: Nach einer… | |
HAMBURG taz | Wenn es nach dem Hamburger Landgericht unter Vorsitz von | |
Hermann Antony geht, muss die Hamburger Justizbehörde 500 Euro | |
Entschädigung an Kuno Kruse (Name geändert) zahlen, weil seine Wohnung im | |
Vorfeld des G 8-Gipfels in Heiligendamm im Auftrag der Bundesanwaltschaft | |
(BAW) zu Unrecht durchsucht und Computer beschlagnahmt worden sind. Diesen | |
Vergleich hat das Gericht am Freitag nach kurzer mündlicher Verhandlung | |
unterbreitet. | |
900 Polizisten hatten am 9. Mai 2007 vor dem G 8-Gipfel 40 Wohnungen vor | |
allem in Hamburg und Bremen gefilzt - darunter auch die von Kruse. Zuvor | |
hatte Generalbundesanwältin Monika Harms nach einer Brandanschlagsserie im | |
Hamburger Raum . | |
Unter anderem auf das Auto der Ehefrau von Bundesfinanz-Staatssekretär | |
Thomas Mirow (SPD) - ein Verfahren gegen 17 Personen wegen "Bildung einer | |
terroristischen Vereinigung" (Paragraf 129a Strafgesetzbuch) eingeleitet. | |
Die Ermittler hatten damals gesagt, mit diesem Schritt wolle man in den | |
Busch schießen und gucken, was sich bewegt. | |
"Die Durchsuchung seiner Arbeitsstelle, mehrerer Wohnungen sowie dem Auto | |
und dem Wochenendhaus seiner Mutter endeten mit der Beschlagnahme von | |
wichtigen Unterlagen und Computern", sagt Kruses Anwalt Dirk Audörsch. In | |
der Zeit der Ermittlungen hatte sich Kruse zwei Computer und einen Scanner | |
für seine Arbeit mieten müssen. | |
Erst zehn Monate später, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) das Vorgehen | |
der Bundesanwälte für rechtswidrig erklärt hatte, seien die Unterlagen | |
zurückgegeben worden. | |
Der BGH hatte gerügt, dass angezündete Autos nicht die Wirtschaftsordnung | |
der Bundesrepublik erschütterten und daher nicht in den Aufgabenbereich der | |
Bundesanwaltschaft fallen. | |
Obwohl das Hamburger Amtsgericht Kruse im November 2008 grundsätzlich eine | |
Entschädigung nach dem Strafentschädigungsgesetz zugebilligt hatte, | |
weigerte sich die Justizbehörde bislang eine Entschädigung zu zahlen. | |
Begründung: Das Entschädigungsgesetz gelte nur für rechtmäßige Maßnahmen, | |
für rechtswidrige Handlungen des Staates gebe es hingegen keine | |
Entschädigungen. | |
Kruse klagte nun vor dem Landgericht auf 3.300 Euro Schadensersatz für die | |
"materiellen Schäden", die ihm entstanden seien. So für die Mietcomputer, | |
Verdienstausfall am Tag der Razzia sowie die entstandenen Anwaltskosten. | |
"Da ist noch nicht einmal ein Schmerzensgeld für immaterielle Schäden | |
enthalten - nämlich zehn Monate als Terrorist beschuldigt zu werden", sagt | |
Audörsch. | |
Doch so weit wollten Richter Antony und seine Kammer nicht gehen. Das | |
Gericht kam zu dem Schluss, dass das Strafentschädigungsgesetz wohl nicht | |
greife, die Justizbehörde hätte ihm jedoch als eine Art "Amtshaftung" einen | |
Ausgleich von 500 Euro zu zahlen. | |
"Ein Interesse an Entschädigung ist nicht ganz abwegig", sagte Antony. Er | |
wollte Kruse aber lediglich 40 Prozent der Kosten für einen geleasten | |
Computer zubilligen. | |
Anspruch auf die Kostenerstattung beider beschlagnahmter Computer sieht | |
Antony nicht. "Mehr würde über die geltende Rechtssprechung hinausgehen", | |
sagte Antony. Zwei Wochen haben die Prozess-Parteien Zeit über den | |
Vergleich zu entscheiden. | |
Kuno Kruse zeigte sich enttäuscht über den Richter-Vorschlag. "Das ist nur | |
ein Bruchteil von dem", sagte Kruse, "was für mich an Kosten durch die | |
Razzia entstanden sind." | |
20 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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Nun ist vielleicht nachzuvollziehen, dass die Behörde nicht bereit ist, | |
Kosten für eine durchgeknallte Generalbundesanwältin zu tragen. Dann sollte | |
sie aber den Schaden der Bundesanwaltschaft in Rechnung stellen. |