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# taz.de -- UNO gegen deutsche Asylpolitik: Rüge für Umgang mit Flüchtlingen
> Überfüllte Unterkünfte, schlechte Sozialleistungen, medizinische
> Notfallversorgung: Die UNO verschärft ihre Kritik an Deutschlands Umgang
> mit Asylsuchenden.
Bild: Für eine menschenwürdige Behandlung: Asylbewerber bei einer Kundgebung …
BERLIN taz | Die Vereinten Nationen haben Deutschland für seinen Umgang mit
Asylsuchenden gerügt. Mit "großer Besorgnis" nehme der UN-Sozialausschuss
die Situation der Asylsuchenden zur Kenntnis, heißt es in seinem am Freitag
in Genf veröffentlichten Abschlussbericht. Asylsuchende in Deutschland
würden keine angemessenen Sozialleistungen erhalten, lebten in überfüllten
Unterkünften, hätten keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und könnten lediglich
auf medizinische Notfallversorgung zurückgreifen.
Der Sozialausschuss reagiert damit auf den 2008 vorgelegten fünften Bericht
der Bundesregierung zur Umsetzung der wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Rechte in Deutschland. Mit der Unterzeichnung des
UN-Sozialpaktes hatte sich Deutschland 1973 verpflichtet, diese zentralen
Menschenrechte zu gewährleisten.
"Die deutlichen Worte des Ausschusses zeigen, wie dringend der
Handlungsbedarf ist", sagt die Menschenrechtsexpertin Katharina Spieß, die
für Amnesty International die Umsetzung der Sozialrechte in Deutschland
beobachtet. "Es wäre schön, wenn sich die Bundesregierung nicht so
verhalten würde wie ihre Vorgänger."
## Weniger Platz als im Hundezwinger
Zuletzt hatte der UN-Sozialausschuss 2001 die Situation von Asylsuchenden
in Deutschland kritisiert. "Geändert hat sich seitdem nichts", sagt Spieß.
So sind die Sozialhilfeleistungen für Asylsuchende seit 1993 nicht an die
Preissteigerungsrate angepasst geworden. Den Betroffenen, zu denen auch
Geduldete und humanitäre Flüchtlinge zählen, werden nicht einmal zwei
Drittel der Hartz-IV-Leistungen zugestanden.
"Das deutsche Asylsystem ist einzigartig, wenn es um die Ausgrenzung der
Betroffenen geht", urteilt Georg Classen, Sozialrechtsexperte des Berliner
Flüchtlingsrats. "Möchte man einen Schäferhund im Zwinger halten, sind acht
Quadratmeter Pflicht. Für die Unterkunft eines Asylsuchenden in Berlin und
Brandenburg sind sechs Quadratmeter vorgesehen. In anderen Bundesländern
fehlt jegliche Vorschrift." Überdies grenze die Kombination aus
Arbeitsverbot einerseits und Entzug von Bargeld andererseits die
Asylsuchenden vollends aus der Gesellschaft aus. Die Folgen seien physische
und psychische Erkrankungen.
Dass die im UN-Sozialpakt verbrieften wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Rechte jedermann zu gewähren sind, unterstrich zuletzt das
Bundesverfassungsgericht Anfang 2010 in seinem Hartz-IV-Urteil. Darin
erklärte das oberste deutsche Gericht die Berechnung der Hartz-IV-Sätze für
verfassungswidrig. Das nordrhein-westfälische Landessozialgericht
bezeichnete daraufhin auch die Leistungen für Asylsuchende als "evident
unzureichend" und legte das Asylbewerberleistungsgesetz im vergangenen Jahr
dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Die Verfassungsrichter werden
ihr Urteil hierzu allerdings frühestens im Herbst fällen.
Immerhin erkennt mittlerweile aber auch die schwarz-gelbe Bundesregierung
Handlungsbedarf: "Wir warten nicht das Urteil des Verfassungsgerichts ab",
versicherte ein Sprecher des Bundessozialministeriums der taz. Dass die
Sozialleistungen von Asylbewerbern neu berechnet werden müssen, hatte die
Regierung erstmals im vergangenen November eingestanden. Damals räumte sie
ein, die Höhe der Leistungen erfolge "auf der Grundlage von
Kosteneinschätzungen" und entspreche "daher nicht den Anforderungen des
Urteils des Bundesverfassungsgerichts". Wie genau die Neuberechnung
aussehen soll, ist jedoch ein halbes Jahr später weiter unklar. Die Prüfung
hierzu sei "noch nicht abgeschlossen".
Der Sozialrechtsexperte Classen zweifelt an der Ernsthaftigkeit: "Ich habe
eher den Eindruck, die prüfen überhaupt nicht." Von der der UN-Kritik
verspricht er sich nicht allzu viel. Die Forderungen seien zwar
völkerrechtlich bindend, doch mangele es der UN an Sanktionsmöglichkeiten.
22 May 2011
## AUTOREN
Lukas Ondreka
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