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# taz.de -- Tunesischer Minister tritt zurück: Der Blogger geht von Bord
> Desillusioniert: Slim Amamou, Internetaktivist und Symbolfigur der
> tunesischen Revolution, erklärt seinen Austritt aus der
> Übergangsregierung.
Bild: Ein Aufreger: Slim Amamou ohne Krawatte bei der Vereidigung als Minister.
BERLIN taz | Slim Amamou war der prominenteste Revolutionär in Tunesiens
Übergangsregierung, und seine Ernennung zum Jugendstaatssekretär wenige
Tage nach der "Jasminrevolution" vom 14. Januar war ein Symbol des
Umsturzes: noch bis zum Vortag hatte der bekannte Blogger im Gefängnis
gesessen. Vier Monate später legt der 33-Jährige desillusioniert sein Amt
nieder. "Meine Mission ist beendet", erklärte Slim Amamou am Montag in
einem Radiointerview und bestätigte per Twitter: "Ich bin zurückgetreten,
es fehlen bloß die Formalitäten."
Zu seiner Vereidigung am 18. Januar war Slim Amamou ohne Krawatte
erschienen, was sofort einen Skandal auslöste, und später tweetete er über
die Kabinettssitzungen, was für Ärger sorgte. Slim, wie ihn alle nennen,
engagierte sich in der tunesischen Piratenpartei und warb für die Freiheit
des Internets in einem Land, das damit unter der Diktatur Ben Alis sehr
restriktiv umgegangen war. Aber er fremdelte mit seinem Amt.
Zuletzt empörte ihn, dass die Regierung auf Bitten der Armee vier kritische
Webseiten geschlossen hatte - eines von zahlreichen Anzeichen dafür, dass
die Revolution allmählich versandet und die Kräfte des "alten Regimes"
mächtig geblieben sind.
In den letzten Wochen gab es in Tunesien wieder Polizeigewalt gegen
Demonstranten, ein Regierungsmitglied sprach von einem Militärputsch im
Falle eines islamistischen Wahlsieges im Juli, der Libyenkrieg hat die
tunesische Grenze erreicht, und zuletzt wurden zweimal angebliche
Al-Qaida-Selbstmordattentäter auf tunesischem Boden festgesetzt. In einem
solchen Klima ist kein Platz für Slims Forderungen nach der Freiheit des
Internets und der Legalisierung weicher Drogen.
## "Dazu verdammt, ewig von vorn anzufangen"
Auf seinem Blog erklärt Slim Amamou, er habe bereits vor zwei Wochen seinen
Rücktritt eingereicht, aber der Präsident habe das Gesuch nicht angenommen.
"Ich wollte nicht, dass mein Rücktritt als Unterstützung für diejenigen
begriffen wird, die den Sturz dieser Regierung wollen", schrieb Slim und
nannte die Aufgaben der Übergangsregierung eine Sisyphusarbeit, "dazu
verdammt, ewig von vorn anzufangen".
Er kritisierte insbesondere, dass die kurze Amtszeit einer
Übergangsregierung grundlegende Reformen unmöglich mache - vor allem im
Innenministerium, jahrelang Hort von Korruption, Repression und Folter, wie
er schrieb.
Der Blogeintrag löste eine lebhafte Internet-Debatte aus: Wieso werden
nicht neue, unbelastete Polizeibeamte eingestellt und Folterer entlassen
und vor Gericht gestellt? Wie frei kann man sich äußern, wenn man Teil der
Regierung ist? Slim dementierte jetzt, dass er in seinem Radiointerview vom
Montag über die Existenz einer "Schattenregierung" geklagt habe, die
parallel zur Übergangsregierung arbeite und diese sabotiere. Aber er
betonte, er wolle mit dem Rücktritt seine Freiheit wiederfinden.
Als Minister, schrieb er bereits vor zwei Wochen, "bin ich allen meinen
Mitbürgern zu Respekt verpflichtet, auch den blödesten". Das kann er jetzt
lassen.
24 May 2011
## AUTOREN
Dominic Johnson
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