# taz.de -- De Maizière auf dem Kirchentag: Friedliebender Verteidigungsminist… | |
> Verkehrte Welt: Kriegseinsätze befürwortende Menschenrechtler und | |
> skeptische Militärs. Der Christ und Verteidigungsminister de Maizière | |
> erntete in Dresden tosenden Applaus. | |
Bild: Durchblick: Verteidigungsminister Thomas de Maizière. | |
Die wichtigste Erkenntnis formulierte der Podiumsgast Thomas de Maizière | |
selbst: Eine solche Veranstaltung wäre in den siebziger Jahren nicht | |
denkbar gewesen. Dass da nämlich ein Verteidigungsminister wie er in Ruhe | |
auf einem Kirchentag argumentieren, dass er seine Perspektive von Politik | |
ausbreiten könne und obendrein auch noch am Ende prasselnden Beifall | |
erhält. | |
Noch 1981, auf dem Kirchentag in Hamburg, zu Zeiten einer Friedensbewegung | |
gegen die Natonachrüstung, da wurde einer seiner Amtsvorgänger noch von | |
Bühne gepfiffen. Es war eine Zeit, in der Hans Apel zum ultrakonservativen | |
Christen mutierte und auf Kirchentagen sein Christsein nicht gespiegelt | |
fand – Thomas de Maizière aber erhielt den Applaus nicht allein aus Gründen | |
kirchentagsüblicher Höflichkeit, sondern auch, weil dem Publikum gefiel, | |
was er zu sagen hatte. | |
Dass die Welt eine andere geworden sei. Kriege nicht mehr wie in Zeiten des | |
Kalten Kriegs von blockführenden Ländern ausgingen, sondern von kleinen, | |
zerfallenden Staaten. Dass er gleichwohl nicht von gerechten Kriegen | |
sprechen möchte, auch im Hinblick auf Afghanistan nicht, sondern von | |
gerechtfertigten Einsätzen. Aktuell verhalte es sich so, dass | |
Kriegseinsätze von menschenrechtsorientierten Strömungen gewünscht würden �… | |
Militärs jedoch, Männer und Frauen, die von Berufs wegen die Risiken von | |
Gewalteinsätzen einschätzen könnten, eher vorsichtig mit dieser Option | |
umgingen. | |
Thomas de Maizière, selbst bekennender Christ und im Präsidium des | |
Kirchentages tätig, diskutierte mit Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender | |
der Evangelischen Kirche Deutschlands – ihm blieb nur, statt von einem | |
gerechtfertigten, von einem allenfalls "hinzunehmenden" Krieg zu sprechen: | |
Beide einte jedoch, dass es weder im kirchenoffiziellen, noch im | |
gesetzlichen Bereich überhaupt klare Kriterien für Kriegseinsä tze der | |
Bundeswehr gebe. Das möge auch so bleiben, so der Verteidigungsminister, | |
denn die Umstände wandelten sich von Fall zu Fall. | |
## Furcht vor der Antwort | |
Für den Fall Libyen habe die Bundesrepublik eine humanitäre Intervention, | |
zumal nur aus der Luft, abgelehnt. Die Frage von Moderatorin Constanze | |
Stelzenmüller, ob eine Beteiligung der Bundeswehr an Einsätzen in Libyen | |
nach einem Ende der Ära Ghaddafis denkbar sei, mochte de Maizière nicht | |
erörtern, man sei ja nicht im engsten Zirkel. Aber, so sagte, diese Frage | |
fürchte er womöglich irgendwann beantworten zu müssen. | |
Mit sauberen Hände, so im Einklang Schneider wie de Maizière, gehe man aus | |
dieser Diskussion nicht heraus – es bleibe immer etwas Schmutziges, das den | |
Geboten der Bibel widerspreche. Es bleibe eine Gratwanderung, zwischen den | |
Wünschen nach Verhinderung von Massakern wie in Ruanda oder in Serbien und | |
der Friedenspflicht. Wichtig für die Zukunft finde der Minister, dass die | |
Zivilgesellschaft sich stärker bereit halte. | |
Wenn die Bundeswehr zum Beispiel irgendwo aus humanitären Gründen | |
interveniere, müssten nichtmilitärische Organisationen auch die | |
Aufbauarbeit leisten wollen – das Militär solle nur tun, was es kann, die | |
anderen, was für die Zeit des Friedens wichtig sei. | |
Der Name Margot Käßmann fiel an keiner Stelle – dennoch war zu spüren, dass | |
sich beide, Schneider wie de Maizière am fundamentalen Unbehagen Käßmanns | |
an Kriegseinsätzen überhaupt störten: de Maizière sprach insofern dem | |
Kirchentag nicht gerade aus dem Herzen, aber er machte eine gute, | |
erklärende, für jeden christlichen Pazifisten anschlussfähige Figur. Eine | |
Zuschauerin meinte am Ende der Debatte im Hörsaal der Technischen | |
Universität: "Der ist okay." | |
4 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
Jan Feddersen | |
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