| # taz.de -- Aufstand in Burkina Faso: Unmut schwelt wie Buschfeuer | |
| > Immer wieder kommt es zu neuen Protesten, egal was die Regierung macht. | |
| > Jetzt räumte die Armee die zweitgrößte Stadt gewaltsam von rebellierenden | |
| > Soldaten. | |
| Bild: Werbung für einen Politikwechsel am Busbahnhof in Ouagadougou: "Anders. … | |
| OUAGADOUGOU taz | "Dabare" bedeutet in Burkina Faso "man kommt irgendwie | |
| zurecht". Das Dörfchen Dabare liegt eine Stunde entfernt von der Hauptstadt | |
| Ouagadougou. Der Minister für Umwelt ist gekommen. "Unsere Regierung | |
| schafft das," sagt er "keine Sorge!" Der Minister ist neu und war zuvor | |
| Professor. Jetzt redet er über nachhaltige Entwicklung. Er weiht zwei | |
| riesige Parabolspiegel ein, die Sonnenenergie auf die Kochstellen der | |
| Karité-Butterherstellerinnen richten sollen. | |
| Am Vortag waren Soldaten aus Ouagadougou in Bobo Dioulasso einmarschiert, | |
| der zweitgrößten Stadt des Landes, um dort Aufstände lokaler Soldaten zu | |
| beenden. "Das musste ja so kommen," sagt ein Gast in Dabare. "Es ist wie in | |
| der Schule: es hat geschellt, die große Pause ist vorbei, und alle müssen | |
| wieder zum Unterricht." Das ist eine sehr abgeklärte Sicht der Ereignisse. | |
| Bei der Militäraktion im Handelsknotenpunkt Bobo Dioulasso tötete ein | |
| Querschläger eine 14jährige, sechs rebellierende Soldaten wurden | |
| erschossen, es gab laut Regierung mehr als 20 Verletzte und rund 90 | |
| Festgenommene. Präsidialgarde, Fallschirmspringer und Gendarmen gingen mit | |
| Gewalt gegen Soldaten vor, die sechs Tage lang Anwohner in Angst und | |
| Schrecken versetzt hatten. | |
| ## Geschäfte erst ausräumen, dann zerstören | |
| In weiteren fünf Städten hatte es zu Beginn letzter Woche gekracht. | |
| Soldaten schossen in die Luft, räumten Geschäfte aus, zerstörten Gebäude. | |
| Plünderer schlossen sich an. Diese Szenen wiederholen sich in Burkina Faso | |
| seit Monaten. | |
| Die Gründe für die Unzufriedenheit sind bekannt: Fehlende | |
| Gehaltsaufbesserungen, nicht gezahlte Prämien, zu niedrige | |
| Wohnungsbeihilfen, allgemeiner Ärger über Teuerungen ("La vie chère") und | |
| die Politik ("Weg mit Blaise"), Arbeitslosigkeit und Unzulänglichkeiten der | |
| Justiz treiben die Burkinabè im ganzen Land mittlerweile im fünften Monat | |
| auf die Straße. Wer dabei schießt, wird mit Zugeständnissen belohnt. | |
| Der Aufstand hatte am 22. Februar mit Protesten von Schülern und Studenten | |
| in Koudougou begonnen. Am 18. April bildete Präsident Blaise Compaoré die | |
| Regierung um. Luc Adolphe Tiao, zuletzt Botschafter in Paris und davor | |
| Leiter der Medienbehörde, wurde Premierminister. | |
| Der gelernte Kommunikator ist nun Chef eines verkleinerten Kabinetts, in | |
| dem Compaoré selbst den Posten des Verteidigungsministers übernahm. | |
| "Unlucky Luc", kommentierte eine Wochenzeitung: Ende April verkündete er | |
| eine zehnprozentige Lohnsteuersenkung, Preissenkungen für | |
| Grundnahrungsmittel für drei Monate und die Abschaffung der im Vorjahr | |
| eingeführten Kommunalsteuer, die jährliche Abgaben von Moped- und | |
| Autobesitzern vorsah. Doch die Unruhen gingen weiter. | |
| ## Schlüsselstellungen mit Angehörigen der Präsidentenfamilie besetzt | |
| Der Exdiplomat, so analysiert die Zeitung LIndépendant, könne als Zivilist | |
| nur das aussprechen, was ihm der Präsident, Ex-Militär "Capitaine" Compaoré | |
| einflüstert. Schlüsselstellungen sind weiterhin mit Angehörigen der | |
| Präsidentenfamilie und Militärs besetzt. Der alte und neue Wirtschafts- und | |
| Finanzminister ist Blaise Compaorés Schwager. Der neue Außenminister | |
| Djibril Bassolet, als Darfur-Vermittler der UNO bekannt, ist Oberst der | |
| Gendamerie. | |
| So bleibt das Land skeptisch. Wenn auch die Kombination aus Gespräch, | |
| Gewalt, Entschädigungen, Lohnsteigerungen und Austausch von Ministern | |
| manche beruhige, so seien die strukturellen Probleme nicht gelöst, sagt ein | |
| Ingenieur. Ein Politikberater klagt, dass die Armut trotz | |
| Anti-Armutspolitik nicht sinke. Über die Hälfte des Staatsbudgets kommt aus | |
| dem Ausland, wissen Ökonomen und betonen, dass der Anteil eigener Einnahmen | |
| durch Steuersenkungen noch kleiner werde. Diplomaten und Zivilgesellschaft | |
| kritisieren, dass Korruption Erfolge durch bessere Baumwollpreise und | |
| Goldexporte auffrisst. Furcht vor Banden und "Al-Qaida im Maghreb" machen | |
| die Grenzgebiete für Händler unsicher. Und nach 23 Amtsjahren hat der | |
| Präsident noch nicht versprochen, bei der nächsten Wahl 2015 nur noch | |
| "Elder Statesman" zu sein. | |
| 7 Jun 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Marianne Lange | |
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