# taz.de -- Getreide bleibt teuer: Das dunkle Ende der Wurst | |
> Die Nachfrage nach Getreide, auch als Viehfutter, treibt die Preise. Und | |
> das wird bis Ende des Jahres nicht anders, warnt die | |
> Ernährungsorganisation der UNO. | |
Bild: Wurst vom Grill: Für viele Nicht-Vegetarier ein knackiges Sommer-Essen. … | |
BERLIN taz | Hohe Preise bei reichen Ernten – das stellte die FAO am | |
Dienstag in Rom bei der Vorstellung ihres halbjährlichen | |
Ernährungsberichtes in Aussicht. Die Landwirtschafts- und | |
Ernährungsorganisation der UN begründete dies mit abnehmenden | |
Lagerbeständen und mäßigen Ernten in Mitteleuropa und Nordamerika. | |
In Russland, der Ukraine und den Ländern der Gemeinschaft unabhängiger | |
Staaten (GUS), die die ehemalige Sowjetrepubliken gebildet haben, hingegen | |
sehen die Landwirte guten Zeiten entgegen. In Russland etwa wird die | |
Weizenernte wohl so hoch ausfallen, dass die Regierung angekündigt hat, | |
ihren im letzten Jahr verhängten Exportstopp für das Getreide im Juli | |
aufzuheben. | |
Doch guten Ernten stehe eine stetig wachsende Nachfrage nach Getreide als | |
Viehfutter entgegen. "Die Situation für Lebensmittel und Agrarrohstoffe | |
bleibt angespannt", sagt David Hallam, Direktor der FAO-Abteilung Märkte | |
und Handel, "die Weltmarktpreise bewegen sich auf anhaltend hohem Niveau." | |
Für die Länder, in denen die Bevölkerung schon jetzt unter Hunger leidet, | |
werde dies bedrohlich. Sie könnten gezwungen sein, bis zu ein Drittel mehr | |
für Nahrungsmittelimporte auszugeben als im vergangenen Jahr, so die | |
Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen. | |
## Fleisch und Milchprodukte kosten | |
Zwar waren die Preise für Getreide und Zucker im Mai gegenüber dem Vormonat | |
leicht gesunken. Doch hatten sie im April die Rekordwerte von 2007 und 2008 | |
erreicht, als explodierende Kosten für Lebensmittel zu Aufständen in Asien | |
und Afrika geführt hatten. So sind Getreide, Fleisch, Gemüse und Milch noch | |
immer um mehr als ein Drittel teurer als im Mai 2010. Vor allem Fleisch und | |
Milchprodukte sind teuer. Wegen anhaltend hoher Futterpreise, Tierseuchen | |
und abnehmenden Lagerbeständen werde die Fleischproduktion in diesem Jahr | |
bei 294 Millionen Tonnen stagnieren und Fleisch teuer bleiben, sagt die | |
UN-Ernährungsorganisation voraus. | |
Ausgesprochen schlecht werden die Ernten in Mitteleuropa und den USA | |
ausfallen, warnt die Organisation. In Nordamerika wüteten im Mai Unwetter. | |
Tornados und heftige Regenfälle machten den Landwirten in Kansas, Oklahoma, | |
Missouri und Massachusetts zu schaffen. Im Gegensatz dazu litten die | |
europäischen Landwirte unter einer wochenlangen Trockenheit. Auch nach den | |
Gewittern der vergangenen Tage seien die Sorgen der Bauern groß, teilte | |
jüngst der Bauernverband mit. | |
Vor allem die Bauern in den Grünlandgebieten in den Mittelgebirgen würden | |
um das Gras für ihre Tiere gebracht, vielerorts sei der erste Grasschnitt | |
ganz ausgefallen. Dem Westen und Südwesten hätten die dortigen Regenfälle | |
kein Glück gebracht: In kurzer Zeit sei so viel Niederschlag gefallen, dass | |
das Wasser bei extrem ausgetrockneten Böden oberirdisch abgeflossen sei und | |
den Pflanzen jetzt nicht mehr zur Verfügung stehe. Eine durchgängige | |
Erholung der Feldbestände sei nicht eingetreten. | |
Allerdings bilden nicht nur das Wetter und die Ernährungsgewohnheiten die | |
Preise auf den globalen Rohstoffmärkten. Die Weltbank sowie | |
Entwicklungsorganisationen wie Weed oder Oxfam weisen darauf hin, dass | |
Spekulation an den Terminmärkten die Preise treiben und vor allem stark | |
schwanken lassen. Erst Ende Mai hat sich das Europäische Parlament für | |
einen Gesetzentwurf der Brüsseler EU-Kommission ausgesprochen, in dem die | |
besonders wenig regulierten außerbörslichen Termingeschäfte für | |
Nahrungsmittel beschränkt werden sollen. Im Juli will das Parlament darüber | |
die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufnehmen. | |
7 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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