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# taz.de -- Flüchtlinge gegen Gutscheinsystem: Angehört und abgewiesen
> Der Landkreis Oberhavel will auf Wertmarken für Flüchtlinge nicht
> verzichten, Asylbewerber protestieren. Nun stehen Aktionstage gegen die
> Residenzpflicht in Berlin an.
Bild: Auch diese senegalesischen Flüchtlinge aus Libyen müssten, kämen sie a…
Asylbewerber im Landkreis Oberhavel müssen auch weiterhin mit Wertmarken
einkaufen. Der zuständige Sozialdezernent Michael Garske hat am Donnerstag
zwar zugesagt, den Bargeldanteil der Asylbewerberleistungen ab Juli zu
erhöhen. Grundsätzlich wolle er die Wertmarken jedoch beibehalten, sagte
Garske nach einem Gespräch mit einer Delegation von Flüchtlingen aus
Henningsdorf. Die hatten seit Anfang Juni aus Protest auf die Annahme der
Wertmarken verzichtet.
Der Landkreis Oberhavel, nördlich von Berlin, ist einer von nur noch 4 der
insgesamt 18 Brandenburger Landkreise, die Gutscheine an Flüchtlinge
ausgeben. Das Asylbewerberleistungsgesetzt lässt die Auszahlung per
Gutschein zu. Die Wertmarken können aber nur in bestimmten Geschäften
eingelöst werden. Das schränkt die Auswahl für die Einkäufe der Flüchtlinge
extrem ein. Die rot-rote Landesregierung in Potsdam hat sich grundsätzlich
für Barzahlungen ausgesprochen. Sie hat vor wenigen Wochen eine
Bundesratsinitiative angekündigt, mit der sie Sachleistungen für
Asylbewerber gänzlich abschaffen will.
Zwei Heimbewohnerinnen, eine Anwältin und ein Vertreter der Initiative
United against Racism and Isolation Hennigsdorf (Uri) hatten sich am
Donnerstag mit dem Sozialdezernenten getroffen. "Unsere Enttäuschung ist
groß", sagte Jan Fließbach von Uri nach dem Gespräch. Zwar hatte der
Sozialdezernent Verständnis für die Kritik der Heimbewohner gezeigt. Garske
habe jedoch betont, dass er sich fest an das Gesetz halten wolle,
berichtete Fließbach.
Auf den Hinweis, dass das Gesetz auch Barzahlungen zulasse, habe der
Dezernent geantwortet, man dürfe das Gesetz nicht so weit dehnen, bis es
ausgeleiert sei. Teilnehmer einer Kundgebung vor dem Sozialamt in
Oranienburg reagierten mit "Garske raus!"-Rufen auf das Ergebnis des
Gespräch. Noch ist unklar, ob die Heimbewohner und ihre UnterstützerInnen
den Boykott weiter aufrechterhalten können. Fest steht aber, dass der
Protest weitergeht. Am Samstag wollen sie sich an einer Demonstration am
Brandenburger Tor in Berlin beteiligen.
Die richtet sich nicht nur gegen das Gutscheinsystem, sondern auch gegen
die immer noch geltende Residenzpflicht, nach der Flüchtlinge den ihnen
zugewiesenen Landkreis nur mit behördlicher Genehmigung verlassen dürfen.
Zwar hatten die Länder Berlin und Brandenburg sich im Juli 2010 auf eine
Lockerung geeinigt. Reisen innerhalb der beiden Bundesländer sollten
mittlerweile problemlos möglich sein. Dennoch werde einem Viertel der
geduldeten Flüchtlinge von den Behörden eine Reiseerlaubnis verweigert,
sagt Beate Selders vom Flüchtlingsrat Brandenburg. Den Betroffenen werde
vorgeworfen, ihre Mitwirkungspflicht zu vernachlässigen, weil sie sich
nicht genügend um einen Pass für die Heimreise bemühen würden.
Chamberlin Wandji von der Afrika- und Flüchtlingsinitiative Brandenburg
dürfte zwar eigentlich Berlin und Brandenburg nicht verlassen. Dennoch war
der Kameruner gerade in Bayern, um dort Flüchtlinge über die bevorstehenden
Antirassistischen Aktionstage abolish! zu informieren, die an diesem
Wochenende in Berlin stattfinden. Flüchtlinge in Bayern müssten sich über
die Residenzpflicht hinwegsetzen, um nach Berlin zu fahren. Wandji findet:
"Damit leisten wir zivilen Ungehorsam".
Das Programm der Aktionstage ist vielfältig: Auf einer Konferenz wollen die
Flüchtlinge Erfahrungen austauschen, damit zum Beispiel ein
Gutscheinboykott wie in Hennigsdorf auch anderorts möglich wird.
10 Jun 2011
## AUTOREN
Dena Kelishadi
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