# taz.de -- US-Debatte über Libyen-Einsatz: Krieg oder Feindseligkeit | |
> Abgeordnete, auch Demokraten, klagen US-Präsident Barack Obama wegen des | |
> Krieges in Libyen an. Das Weiße weist die Kritik zurück. | |
Bild: Brauchte er eine Genehmigung für den Libyen-Einsatz? US-Präsident Barac… | |
WASHINGTON taz | Darf ein US-Präsident das überhaupt? Durfte Barack Obama | |
allein entscheiden, das Militär der USA in den Luftraum über Libyen zu | |
schicken? Der Kongress meint "nein". Er argumentiert mit der Verfassung. | |
Danach ist der Präsident zwar oberster Befehlshaber. Aber nur der Kongress | |
kann einen Krieg erklären. Der Sprecher des Repräsentantenhauses droht, den | |
Geldhahn zuzudrehen. Und eine Gruppe von zehn Abgeordneten, die von dem | |
Demokraten Dennis Kucinich und dem Republikaner Walter Jones angeführt | |
wird, hat am Mittwoch eine Klage gegen die Kriegsentscheidung eingereicht. | |
Das Weiße Haus ist anderer Ansicht. Es argumentiert, dass die gegenwärtigen | |
US-"Feindseligkeiten" in Libyen kein Krieg seien und der Einsatz auch nicht | |
vom Kongress genehmigt werden müsste. | |
In einem 32 Seiten langen Papier an den Kongress antwortet das Weiße Haus | |
am Mittwoch auf John Boehner. Der Sprecher des Repräsentantenhauses und | |
Chef der republikanischen Mehrheit hatte zuvor angedroht, dass der Kongress | |
entscheiden könnte, ab dem Wochenende kein Geld mehr für die | |
Libyenoperation zu bewilligen. Die USA geben für ihren Militäreinsatz | |
täglich 9,421 Millionen Dollar aus. Das sind 395,542 Dollar in jeder | |
Stunde. Der kommende Sonntag ist der 90. Tag seit Beginn der | |
Militäroperationen in Libyen. Das "War Powers"-Gesetz sieht vor, dass | |
spätestens zu diesem Zeitpunkt nach Beginn eines Krieges entweder der | |
Kongress zugestimmt oder ein Abzug stattgefunden haben muss. Beides ist in | |
Libyen nicht geschehen. | |
Das Weiße Haus argumentiert, dass die Feindseligkeiten in Libyen sich | |
unterhalb des Niveaus des War-Powers-Gesetzes befänden. In Libyen versorgen | |
die USA ihre Alliierten mit Nachschub und Kerosin und attackieren aus | |
unbemannten Drohnen libysche Ziele, aber US-Soldaten würden nicht auf das | |
libysche Terrain geschickt, und die US-Armee würde auch keine Todesfälle | |
riskieren, argumentiert die Regierung. Es handele sich um | |
"Feindseligkeiten", nicht um "Krieg". Im Übrigen hätten die USA ihre | |
Beteiligung bei der Militäroperation in Libyen bereits auf die Rolle eines | |
"Unterstützers" heruntergeschraubt. Obama habe nicht seine Befugnisse | |
überschritten. Und benötige keine Zustimmung des Kongresses. | |
## Gesetz immer wieder verletzt worden | |
Die War Powers Resolution ist im Jahr 1973 vor dem Hintergrund des | |
Vietnamkrieges angenommen worden - von einer starken Zweidrittelmehrheit | |
der Abgeordneten. Es definiert, wann und wie eine Kriegserklärung | |
gerechtfertigt ist. Und es soll verhindern, dass Präsidenten | |
Kriegsentscheidungen fällen, ohne den Kongress zu konsultieren. Falls eine | |
Bedrohung der USA oder ihrer Truppen und Interessen vorliegt, ermöglich das | |
War-Powers-Gesetz, dass ein Präsident zunächst allein entscheidet. Doch | |
spätestens nach 60 Tagen muss er die Zustimmung des Kongresses suchen. Oder | |
aber bis zum 90. Tag die Operation beenden. | |
Das Gesetz ist von den Amtsvorgängern Obamas immer wieder verletzt worden. | |
Im Falle Libyens wollen die Abgeordneten unter anderem wissen, wieso die | |
USA in den Krieg verwickelt sind, obwohl sie in dem Land kein "nationales | |
Interesse" haben und obwohl von dem Land keine Gefahr für die USA | |
ausgegangen ist. Sie wollen wissen, wie viel es kostet. Und sie wollen mehr | |
über die "Rebellen" wissen, jene Kräfte am Boden in Libyen, mit denen die | |
USA zusammenarbeiten. | |
Washington hatte seine Entscheidung, in Libyen einzugreifen, zögerlich | |
gefällt. Beinahe die komplette militärische Spitze sowie das | |
Verteidigungsministerium sprachen sich gegen den Einsatz aus. Zu Beginn des | |
Krieges tourte Obama durch Lateinamerika. Erst neun Tage später gab er eine | |
Erklärung ab, in der er die Bombardements begründete: Es wäre darum | |
gegangen, ein mögliches Massaker an der Zivilbevölkerung in Bengasi zu | |
verhindern. "Es ist nicht im nationalen US-Interesse, das geschehen zu | |
lassen", sagte Obama. Der Militäreinsatz sei "eine Frage von Tagen". | |
16 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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