# taz.de -- Autonome über die Legitimität von Gewalt: "Militanz muss vermitte… | |
> Autos anzünden ist legitimer Widerstand, sagen Mitorganisatoren des | |
> "Kongress für Autonome Politik". In Nischen will man aber nicht verharren | |
> – man will sich wieder mehr in Bündnisse einbringen. | |
Bild: Klarer Dresscode: Autonome, hier als Teil der Gegendemo zum Dresdner Nazi… | |
taz: Köln gilt nicht gerade als Mekka der autonomen Szene. Was hat Sie | |
bewogen, ausgerechnet hier Ihren [1]["Kongress für Autonome Politik"] | |
stattfinden zu lassen? | |
Lutz: Es stimmt schon, dass Köln jetzt nicht einen so starken Zulauf in der | |
autonomen Szene hat. Aber wir haben uns ganz bewusst dazu entschieden, das | |
mal nicht in Hamburg oder Berlin zu machen. Nachdem Ende März die Räumung | |
des Autonomen Zentrums verhindert werden konnte, kam die Idee, hier die | |
KölnerInnen auch mit einem größeren Kongress ein bisschen zu unterstützen. | |
Im Kongressaufruf heißt es, es bedürfte "eines Abgleichs unserer | |
Lebensverhältnisse und unserer häufig als unzureichend empfundenen | |
politischen Denkmuster und Auseinandersetzungsformen" mit den bestehenden | |
Verhältnissen. Soll jetzt Schluss sein mit militantem Gehabe im schwarzen | |
Vermummungschick? | |
Nadja: Das ist eine Fehlinterpretation. Die schwarze Kleidung hat ja einen | |
konkreten Zweck, der nicht plötzlich weggebrochen ist. Auf Demonstrationen, | |
wo alles von der Polizei abgefilmt wird, schützt eine einheitliche | |
Kleidung. | |
Die Autonome Szene wird also nicht endlich bunter? | |
Lutz: Wir sind uns durchaus bewusst, dass ein eher ähnliches Aussehen nicht | |
für jede Situation sinnvoll ist. Das muss ein zielgerichtetes Mittel sein. | |
Natürlich wäre es unsinnig, auf einer Mieterversammlung als schwarzer Block | |
aufzutauchen und sich dadurch künstlich von anderen abzugrenzen. | |
Okay, das Erscheinungsbild ist es nicht. Was empfinden Sie dann alles als | |
unzureichend an sich? | |
Lutz: Unsere Reaktionsmuster auf das, was an sehr aggressivem Umbauprozess | |
gerade stattfindet, empfinde ich als nicht ausreichend. Ich glaube, | |
Autonome müssen sich stärker ins Spiel einmischen, anstatt häufig eine | |
Politik vom "Spielfeldrand" aus zu betreiben. Freiräume sind wichtig, aber | |
eine ganz dringende Forderung an die autonome Bewegung ist: Raus aus den | |
Nischen! Sie muss sich auf die Suche nach einer neuen Form der | |
Kollektivität machen, die notwendig ist, um gesellschaftliche | |
Kräfteverhältnisse zu verändern. | |
Peter: Es geht darum, dass wir mehr auf die Problematiken eingehen, die in | |
der Gesellschaft relevant sind, und uns in radikal bestimmten Bündnissen | |
stärker in soziale Kämpfe einbringen. | |
Wollen Sie bald auch bei Protesten wie gegen Stuttgart 21 mitmischen? | |
Lutz: Ich finde es tatsächlich interessant, zu schauen, wo beim Protest | |
gegen Stuttgart 21 Schnittstellen für eine gemeinsame Kritik sind. Da | |
können sich sehr wohl Leute aus dem linksradikalen Spektrum einmischen, und | |
einige tun das ja auch bereits. Das ist jedenfalls kein Thema, wo man sich | |
raushalten sollte, weil es vermeintlich bürgerlich besetzt ist. | |
Nadja: Im Prinzip geht es um eine Praxis, wie sie seit Jahrzehnten im | |
Wendland praktiziert wird. Da gibt es die Sitzblockaden, total gut und | |
erfolgreich, aber eben auch erfolgreiche militante Aktionen wie die | |
Sabotage von Gleisanlagen. Es geht nicht darum, in breiten Bündnissen zu | |
propagieren, dass Militanz das Nonplusultra ist, sondern zu vermitteln, | |
dass Widerstand vielfältig sein muss, um erfolgreich sein zu können. | |
In Ihrem Kongressprogramm heißt es: "Wir stehen dazu – Militanz". Was ist | |
darunter zu verstehen? | |
Lutz: Es geht um eine Besinnung darauf, dass Militanz dringend notwendig | |
ist – nicht aus einem Fetisch oder aus einem Gestus heraus. Die aktuellen | |
Auseinandersetzungen in Griechenland bestätigen unsere Erfahrung: Ohne die | |
Militanz auf der Straße kann nicht genug Druck aufgebaut werden. | |
Peter: Militanz ist für uns allerdings nicht nur eine | |
Auseinandersetzungsform, sondern eine unversöhnliche Haltung auch im | |
Alltag. Sich der Fahrkartenkontrolle in der Bahn zu widersetzen, kann | |
beispielsweise auch eine militante Haltung zeigen. | |
Wie weit darf die Militanz bei Ihnen denn gehen? | |
Nadja: Eigentlich rechtfertigt die Gewalt eines Systems, das über Leichen | |
geht, jede Form von Widerstand. Es gibt allerdings die stille Übereinkunft | |
der Nichtgefährdung von Unbeteiligten; wir nehmen also nicht den Tod von | |
Menschen in Kauf. | |
Warum haben Sie für Ihre Militanz-Diskussion auf dem Kongress Regeln | |
aufgestellt? Es soll "im Passiv" und "im Konjunktiv" geredet sowie lieber | |
im Allgemeinen geblieben werden. | |
Lutz: Das sind keine Regeln, sondern eher Tipps, wie man überhaupt eine | |
Sache diskutierbar machen kann, die eigentlich ein hohes Maß an Anonymität | |
braucht. Es ist eine schwierige Debatte. Man sollte nicht Leute, die | |
vielleicht unbedarft in eine solche Diskussion hineingehen, Fehler machen | |
lassen, die eine Repression zur Folge haben könnten. | |
Nadja: Wir werden hier nicht nur unter uns sein, da braucht man sich nichts | |
vorzumachen. Natürlich gibt es ein Interesse vom Verfassungsschutz oder den | |
Polizeibehörden, irgendwas mitzukriegen. Entsprechend werden Leute von | |
denen hier sein. Die wird man auch nicht entdecken. Damit muss man leben. | |
Über das Autoabfackeln in Berlin wird hier also nur sehr abstrakt geredet | |
werden? | |
Nadja: Genau. | |
Lutz: Aber man kann das schon bewerten. Grundsätzlich würde ich sagen, dass | |
das Anzünden von Autos durchaus ein legitimes Mittel ist, in der | |
Gentrifizierungsdebatte einen zugespitzten Beitrag zu liefern. | |
Peter: Allerdings gibt es auch gerechtfertigte Kritik, beispielsweise falls | |
auch Kleinwagen in Mitleidenschaft gezogen werden. | |
Ob Groß- oder Kleinwagen: Autobrände sind in der breiten Öffentlichkeit | |
negativ konnotiert. Der Bündnisfähigkeit der Autonomen dürften sie nicht | |
unbedingt dienlich sein. | |
Lutz: Militante Aktionen müssen vermittelbar sein. Autobrände, die als | |
ungezielt wahrgenommen werden, sind das nicht – aber brennende | |
Militärfahrzeuge durchaus. | |
17 Jun 2011 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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